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Gesellschaft

Umgang mit Verschwörungstheorien?

05.03.2021

Harald Seubert (53) ist an der universitären Hochschule STH Basel Professor für Philosophie, Religions- und Missionswissenschaft. Foto: zvg
Harald Seubert (53) ist an der universitären Hochschule STH Basel Professor für Philosophie, Religions- und Missionswissenschaft. Foto: zvg

(IDEA) - Harald Seubert, welche Kernerkenntnisse zum Thema Verschwörungstheorien können wir aus der Geschichte gewinnen?
Verschwörungstheorien treten meist in Kriegs- und Krisenzeiten auf, wie zum Beispiel bei Epidemien und Hungersnöten. Sie sind ein universelles menschliches Phänomen von der Antike bis heute, und sie sind nicht an einzelne Schichten oder Bildungsmilieus gebunden. Allerdings ist das Überhitzungspotenzial seit der Französischen Revolution stärker geworden. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die säkulare Moderne, weil sie Gottes Gericht nicht mehr anerkennt, zu dem neigt, was der Philosoph Odo Marquard die „Tribunalisierung der Welt“ genannt hat. Verschwörungstheorien breiten sich oftmals sehr rasch aus. Wo die eigene Zeit dem Menschen ein Rätsel bleibt, sucht er, hinter die Fassade zu blicken. Verschwörungstheorien erfordern einen Sündenbock oder Sündenböcke, die man für das eigene Elend verantwortlich machen kann. Oftmals waren es die Juden. Ein geschlossenes Weltbild und Ressentiments sind in Verschwörungstheorien bestimmend.Welchen Stellenwert kann die Suche nach versteckten Schuldigen in der Weltgeschichte und im Zeitgeschehen für Christen haben?
Christen sollten wache Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage der jeweiligen Verfassung sein. Sie sind nicht dazu verpflichtet, alles politisch Vorgegebene unwidersprochen hinzunehmen. Doch sie sollten sich nicht auf der Suche nach dem Bösen verzehren, sondern gemäss dem Aufruf von Paulus in Römer 12,21 das Böse mit Gutem zu überwinden suchen. Da nach christlichem Glauben Gott in Jesus Christus die Sünde der Welt getragen hat, sollten die Christen auf ihn blicken und nicht auf Sündenböcke.Christen verpflichten sich der Wahrheit. Was bedeutet dies für den Umgang mit Verschwörungstheorien?
Dass man eine Auffassung nicht von vorneherein ablehnt, weil sie Verschwörungstheorien ähnelt, sondern prüft, was daran ist, was dafür spricht und was dagegen. Ein geschlossenes Weltbild, das alles erklären will, ist selten wahr. Aber es können Teilwahrheiten sein. Diese sollte man dann auch anerkennen. Denn auch ein Paranoiker kann real verfolgt werden.Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Verschwörungs­fragen und biblischen Endzeit­themen?
Als Christ lebt man in der Erwartung des Endes. Wir sollen bereit sein, die Lichter brennen lassen, wie es Jesus in Lukas 12,35 sagt. Und in 1. Petrus 5,8 lesen wir, dass zur Wachsamkeit auch die Nüchternheit gehört. Ich bin überzeugt, dass die Heilige Schrift in ihren Endzeittexten die Grundlinien des Geschehens zeigt, uns aber keinen Fahrplan gibt, nach dem wir eins zu eins ermitteln könnten, dass nun das Endgeschehen da ist. Dies haben auch Generationen vor uns versucht. Freilich gibt es Vordeutungen, die darf man benennen und zur Umkehr rufen. Mit allem Ernst gilt die Aussage von Jesus in Matthäus 25,13, dass wir nicht Tag noch Stunde wissen. Der Widersacher ist listig und der Mensch verführbar. So wird die Endzeit schreckliche Momente haben, auch der Abfall vom Glauben wird zunehmen. Aber: Jesus Christus hat Tod und Teufel die Macht genommen. Er ist der Sieger. Das soll und kann uns leiten. Auf ihn sollten wir trauen!
(Interview: David Gysel)

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