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Mission - durch Wort oder durch Tat?

01.06.2021

Michael Girgis & Felix Aeschlimann. Fotos: zvg
Michael Girgis & Felix Aeschlimann. Fotos: zvg

Gehört das Missionieren zum christlichen Glauben? Was sind eigentlich Missionare? Was unterscheidet Mission von Evangelisation? Felix Aeschlimann, Rektor am sbt Beatenberg, und Michael Girgis, Rektor beim IGW, diskutieren in der aktuellen Ausgabe von IDEA.

IDEA: Beginnen wir mit einer einfachen Frage: Was ist ein „Missionar“? Den Begriff gibt es in der Bibel nicht …
Aeschlimann:
So einfach ist diese Frage gar nicht, zumal der Ausdruck einem Wandel unterliegt. Historisch gesehen ist er verbunden mit einer Person, die von einer Gemeinde für einen geistlichen Dienst in ein fernes Land ausgesandt wird. In der Praxis geht es dabei aber um die gleiche Tätigkeit, wie sie kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch tun, egal ob im In- oder im Ausland. Persönlich gefällt mir das Wort „Missionar“ nicht besonders. Es wird verknüpft mit negativen Assoziationen.
Girgis: In den 1980er-Jahren kursierte der Satz „Jeder Christ ein Missionar“. Ich finde, das trifft den Kern, obwohl ich das Wort „Missionar“ nicht verwende. Es geht um die Mission Gottes. Wer mit Jesus unterwegs ist, ist gerufen, diese Mission weiterzuführen. Jesus sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Dieses „In-die-Weltgesandt-Sein“ ist der Kernauftrag, eines – wenn man so will – Missionars. Ob nun interkulturell oder in der eigenen Kultur, ob als Vollzeiter oder nicht, das macht keinen Unterschied. Wir alle sind Gesandte.

„Missionieren“ und „Missionar“ sind gesellschaftliche Reizwörter. Warum verwenden wir sie?
Aeschlimann: Sie sind ja nicht falsch, sondern abgeleitet vom Lateinischen Missio Dei – Gottes Auftrag, Gottes Sendung. Wir sollen in die Welt, das Evangelium verkündigen, die Menschen taufen und sie lehren. Das ist ein Auftrag von Gott. Im säkularen Umfeld wird der Begriff „Mission“ zudem häufig verwendet. Firmen legen Wert auf ihr „Mission Statement“, Menschen verfolgen ihre „Mission“. 
Girgis: Gemeindeumfragen zeigen, dass unter „Missionar“ jemand verstanden wird, der nach Afrika reist und dort das Evangelium predigt. Das finde ich mit Blick auf die christliche Sendung eine ungünstige Engführung und missverständlich. Wir sollten neue Wörter verwenden, die unseren Dienst verständlicher vermitteln, ohne den Inhalt zu verändern.

Sie wollen das Wort „Missionar“ streichen. Womit ersetzen Sie es?
Girgis: Was wollen wir mit dem Begriff ausdrücken? Geht es um die allgemeine Sendung oder um den spezifischen Einsatz? Wenn wir von ausgesandten Mitarbeitern in einer interkulturellen Arbeit sprechen, dann geben wir ihnen am besten eine Berufsbezeichnung wie Leiter oder Lehrer. Wollen wir ausdrücken, dass wir alle gerufen und gesandt sind, gilt es wieder einen anderen Begriff zu suchen.

Das Seminar für biblische Theologie Beatenberg will gemäss Homepage Menschen für „Gemeinde oder Mission“ qualifizieren. Wird das Wort „Missionar“ innerhalb des Seminars verwendet?
Aeschlimann: Wir benutzen das Wort, ja. Es ist unter Christen nach wie vor verständlich. Aber – da gebe ich Michael recht – es kann missverständlich sein.

Wie missverständlich?
Aeschlimann: Zum Beispiel dann, wenn jemand in der Schweiz den genau gleichen Dienst tut wie eine Person in Afrika. Einer wird als Missionar bezeichnet. Aber was ist der andere?

Wie lösen Sie dieses Dilemma?
Aeschlimann:
Indem wir von kirchlichen Mitarbeitenden reden oder von Gemeindemitarbeitenden. Was sie tun, ist ihr Beruf: Sie sind Pastoren in Asien wie in der Schweiz, sie sind Diakone hier wie dort. Wir sagen, was sie tun, und reden erst dann über ihr Einsatzgebiet.

Was ist der Unterschied zwischen Evangelisation und Mission?
Girgis: Auch Evangelisation ist ein verschwommener Begriff. Im Gemeindekontext wird Evangelisation als innerhalb unseres Landes stattfindend verstanden, Mission als ausserhalb. Diese Unterscheidung trifft die ursprüngliche neutestamentliche Begrifflichkeit nicht. Eine
mögliche Definition von „Evangelisation“ könnte heissen: „Ersteinladung in eine persönliche Beziehung mit Jesus.“ Das ist aber kein Schlusspunkt! Das Evangelium soll und darf uns auf dem Weg mit Jesus immer wieder neu erfassen und im Leben zur Anwendung kommen. Evangelisation kann als Anfang betrachtet werden und Mission als ganzheitlich, transformierend.
Aeschlimann: Ich unterscheide nicht zwischen Evangelisation und Mission. Evangelisation ist Mission und Mission ist Evangelisation. Dieser Auftrag ist auch nicht unterteilt in Inland und Ausland.

Das grosse Gespräch zwischen Michael Girgis und Felix A. Aeschlimann ist im Wochenmagazin IDEA 22-2021 zu lesen. Darin geht es weitere Fragen wie „Genügt diakonische Hilfe ohne vom Evangelium zu reden?“, „Genügt zu predigen, ohne sozial zu helfen?“, „Predigt das Leben lauter als das Wort?“, „Sind Christen bessere Menschen?“, „Beeinflusst die eschatologische Sicht den Fokus der christlichen Mission?“, „Sind Kirche und Welt zu trennen, wirkt Gott nur in der Kirche?“

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