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Kolumne

ICH – um jeden Preis

07.11.2023

Selbstbestimmung ist das Wort der Stunde. Und zwar nicht erst, seit ein grosser Schweizer Rückversicherer seiner Klientel einen entsprechenden Test offeriert und ihr gleich das passende Zubehör anbietet. Selbstbestimmung ist der Wunsch des Menschen, seit er existiert. Und es gibt durchaus positive Entwicklungen, wenn ich an das Selbstbestimmungsgesetz denke, das am 1. Januar im Kanton Zürich in Kraft tritt. Es soll Menschen mit Behinderungen grössere Freiheiten bei der Wahl der Wohn- und Betreuungsform bringen. Eine der wenigen Vorlagen, die im Kantonsrat unumstritten war.

Aber die Selbstbestimmung treibt auch seltsame, um nicht zu sagen gefährliche Blüten. Letzten Mittwoch reichten die beiden Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas im Kanton Zürich eine Volksinitiative ein, die sämtliche Alters- und Pflegeheime dazu verpflichten will, Sterbehilfe bei Bedarf anbieten zu müssen. Rund zwanzig Heime lassen diese Praxis nicht zu, die meisten tun dies aus christlicher Überzeugung. Dass diese Institutionen nun unter Druck geraten, liegt auf der Hand. Die grosse Unterschriftenzahl (doppelt so viele wie nötig) ist ein klares Indiz dafür, dass Sterbehilfe in der Gesellschaft nicht nur akzeptiert, sondern auch gefordert wird. Und die Vehemenz der Initianten, die letztendlich für ihre „Dienste“ abkassieren, zeigt, dass ihnen andere Lebensentwürfe nicht nur fremd, sondern auch lästig sind. 

Dass Menschen selbst über ihr Leben entscheiden wollen, ist nicht neu. Und dass die ethischen Spielregeln beim Lebensschutz in den letzten Jahren regelrecht erodiert sind, ist ein Spiegelbild unserer liberalisierten Gesellschaft. Aber dass künftig Institutionen, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung keine Sterbehilfe zulassen wollen, dazu verpflichtet werden sollen, ihre Praxis zu ändern, ist einer Demokratie unwürdig. Für ein Land, das die Glaubens- und Gewissensfreiheit hochhält und sich nach wie vor auf die christlichen Wurzeln beruft, ist es geradezu absurd, christlich sozialisierte Institutionen zu zwingen, sich von ihren Idealen zu verabschieden. Vielmehr müsste der Staat solchen Einrichtungen dankbar sein, dass sie Menschen uneigennützig, liebevoll und hoffnungsorientiert auf der letzten Wegstrecke begleiten. So, wie es die Beispiele der Ländli- und Bethesda-Schwestern in unserem Heft eindrücklich zeigen. Mir ist Diakonie lieber als Dignitas.

Daniel Rehfeld, Chefredaktor

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