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Gesellschaft

Die friedliche Invasion der Berner im Thurgau

14.12.2021

Robert Neuhaus bei der Buchvernissage. Foto: IDEA/rh
Robert Neuhaus bei der Buchvernissage. Foto: IDEA/rh

Homburg (IDEA) - In vielen Thurgauer Dörfern deuten Namen wie von Siebenthal, Zurbuchen und Kohli auf die bernische Abstammung hin. Die Auswanderungswelle begann um 1900. In den 1940er-Jahren lebten bereits über 7300 Berner im Thurgau. Grund war das bernische Erbrecht; der jüngste Sohn erhielt den Hof. Und anstatt als Knechte zu arbeiten, suchten und fanden die älteren Söhne im Thurgau, vorwiegend auf dem Hügelzug namens „Seerücken“, verlassene oder heruntergekommene Höfe, die sie günstig kaufen konnten. Auch im Thurgau spielte das Erbrecht mit, dass Bauernhöfe kaum noch existenzsichernd betrieben werden konnten. Mussten sich drei Söhne den Betrieb teilen, wurde dieser immer kleiner. Viele verarmten und mussten verkaufen. Auch manch ein Berner Käser zog in den Thurgau.

Auswandererroute per Traktor

Die Eltern von Robert Neuhaus (67) in Hugelshofen TG zogen 1949 aus dem Bernbiet auf den Seerücken. Gut 70 Jahre später startet er einen „Bührer Spezial“, Jahrgang 1957. Diesen Traktor hat sein Vater erworben, als Robert drei Jahre alt war. Nun fährt Neuhaus damit die Auswandererroute im Gedenken an seine Eltern noch einmal ab – von Hugelshofen TG nach Teuffenthal BE. Als Höhepunkt bezeichnet er den Zwischenhalt beim Kirchlein Würzbrunnen, bekannt geworden durch die Gotthelf-Verfilmungen. Robert Neuhaus erzählt: „Unter dem Vordach dieser Kirche habe ich zu Mittag gegessen und gewartet, bis der Regen nachliess.“ Und womöglich auch gebetet. Er hat den Glauben von seinen Eltern vorgelebt bekommen und lebt ihn aus persönlicher Überzeugung auch. Nach zwei Tagen Traktorfahrt trifft er beim Bauernhaus seiner Vorfahren ein. Und nach fünf Tagen und 450 abenteuerlichen Kilometern ist er wieder zu Hause. Doch das war nicht der Abschluss, sondern erst der Anfang eines noch grösseren Projekts.

Ein Buch entsteht

Zusammen mit dem Journalisten Werner Lenzin begann Robert Neuhaus, die Geschichten der Berner Einwanderer im Thurgau zu recherchieren. Entstanden ist das Buch „Vom Berner Haus ins Thurgauer Haus“. Es schildert die Geschichten von 18 Berner Bauernfamilien und 3 Käserfamilien. Am 11. Dezember wurde der reich illustrierte, 176 Seiten starke Band in Homburg vorgestellt. Mit dabei waren Ständerat und Historiker Jakob Stark sowie der Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche Thurgau, Wilfried Bührer. Er hatte früher als Dorfpfarrer in Alterswilen und Hugelshofen gedient. Bührer schätzt, dass rund ein Drittel der damaligen Beerdigungen Verstorbene mit Berner Wurzeln betroffen haben. Werner Lenzin schreibt: „In der Mitte des letzten Jahrhunderts gab es auf dem Seerücken Schulklassen, in denen von 30 Schülern gerade noch 3 Thurgauer sassen.“ 1941 hatten elf Prozent der Thurgauer Bevölkerung bernische Abstammung.

Meist reformiert oder freikirchlich

Ständerat Stark verwies auf einen wichtigen Aspekt: Die Berner waren reformierte Kirchgänger oder Freikirchler. Ihre gute Integration im Thurgau ist mitunter auf ihre kirchliche Beheimatung zurückzuführen. Von den 18 im Buch porträtierten Familien haben deren 12 freikirchlichen Hintergrund. Robert Neuhaus erinnert sich, wie sich in der Stube seiner Eltern regelmässig Bauern zum Bibellesen getroffen haben. Eine Hauskirche war in der damaligen Zeit und in dieser Gegend ungewöhnlich. Neuhaus: „Freikirchen waren damals wenig verbreitet. Es brauchte Mut, sich auf diese Weise zu Gott zu bekennen.“ Die freikirchlichen Bauern hätten aber den Kontakt zur Kirche immer gepflegt. Ständerat Jakob Stark brachte es auf den Punkt: „Es war eine friedliche Invasion der Berner im Thurgau.“

Das Buch „Vom Berner Haus ins Thurgauer Haus. Heimweh-Berner berichten von ihrer Auswanderung“, geschrieben von Werner Lenzin, kostet 38 Franken und kann bestellt werden bei: Robert Neuhaus, Schulstrasse 2, 8565 Hugelshofen, E-Mail an:
info@berner-im-thurgau.ch 
Telefon 071 699 11 40

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