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Politik

Ein Prüfstein für die Demokratie?

16.09.2020

„Läbe für alli!“ – hätte es in Zürich oder Winterthur heissen sollen. Doch es kam anders. Bild: Marsch fürs Läbe
„Läbe für alli!“ – hätte es in Zürich oder Winterthur heissen sollen. Doch es kam anders. Bild: Marsch fürs Läbe

(idea) - Die Stadtzürcher Behörden hatten dem Marsch fürs Läbe für den 19. September 2020 wegen drohender Gegengewalt nur eine Platzkundgebung in einem Aussenquartier bewilligt, ohne direkte Publikumswirkung. Corona erschwerte die Lage zusätzlich. Das OK schwenkte auf das Konferenzzentrum gate27 der FEG Winterthur um. Dieses lud die Veranstaltung kurzfristig wegen Drohungen der Gegnerschaft der Lebensrechtsbewegung wieder aus. Statt einer Veranstaltung gibt es nur online einige Videoclips.An der Veranstaltung in Winterthur hätte der Präsident des Winterthurer Stadtparlaments, Daniel Oswald, ein Grusswort gehalten. Dass Gewaltandrohungen der Gegner der Lebensrechtsveranstaltung zur Absage durch den Vermieter geführt haben, gibt ihm zu denken. "Jetzt besteht ein Druck, damit niemand mehr ein Lokal vermietet", stellt er nüchtern fest. Er sieht dringenden politischen Handlungsbedarf. "Wenn das Gewaltmonopol nicht mehr beim Staat liegt, bedeutet das Willkür!", so der SVP-Politiker.

Politik oder Polizei zuständig?

Zuständig für das Departement Sicherheit und Umwelt in Winterthur ist die Ende September abtretende Stadträtin Barbara Günthard-Maier (FDP). Auf die Frage nach politischem Handlungsbedarf zum Schutz der Meinungsäusserungsfreiheit angesprochen, meint sie: "Das Sicherstellen der Sicherheit von Veranstaltungen auf öffentlichem Grund oder auf Privatgrund ist nicht eine politische, sondern eine polizeiliche Aufgabe." Die Ausladung aus dem gate27 sei ein privater Entscheid gewesen. "Politik und Stadtrat sind und waren zu keinem Zeitpunkt involviert", so Stadträtin Günthard-Maier. Sie ist überzeugt, die Sicherheit wäre zu jedem Zeitpunkt gegeben gewesen. Die Vorarbeiten der Polizei zur Sicherung der Veranstaltung waren bereits weit fortgeschritten.

Dialog mit der Gegnerschaft?

Der Kommunikationsleiter der Stadtpolizei Winterthur, Michael Wirz, will sich nicht dazu äussern, inwieweit ein Dialog mit den Gruppierungen stattgefunden hat, die zur Störung der Veranstaltung aufgerufen haben. Ein Dialog könne nie erzwungen werden und sei mit extremen Gruppen oft schwierig. Die für Sicherheit zuständige Zürcher Stadträtin Karin Rykart (Grüne) äussert sich gegenüber idea ähnlich: "Es ist schwierig bis unmöglich, gewaltbereite Menschen für Offenheit und Dialog zu sensibilisieren." Die Gegnerschaft des "Marsch fürs Läbe" sei zudem keine klar umrissene Gruppe. Die Gewaltbereitschaft von Menschen könne man behördlich nicht steuern.

Wie reagiert die Polizei?

Leider müsse manchmal auf Gewalt mit repressiven Mitteln reagiert werden, bedauert Karin Rykart. Dabei versuche die Stadtpolizei, verhältnismässig zu reagieren.Michael Wirz von der Stadtpolizei Winterthur äussert sich zur Reaktion auf Gewaltaufrufe: "Wenn eine Aufforderung zu einer Straftat auftaucht, prüft die Stadtpolizei, ob es sich dabei um ein Offizialdelikt handelt. Wenn das der Fall ist, wird die Sache von Amtes wegen verfolgt." Bei sogenannten "Antragsdelikten" wie etwa "Drohung" ist ein Strafantrag der geschädigten Person nötig.

Kantonale und nationale Vorstösse

Das Winterthurer Geschehen wirft auch Fragen im kantonalen und nationalen Parlament auf. Die Berner Nationalrätin, Reitpädagogin und diplomierte Polizistin Andrea Geissbühler (SVP) will per Interpellation vom Bundesrat unter anderem wissen, ob nicht "ein zukünftiges, konsequenteres Vorgehen gegen gewalttätige Chaoten das richtige Stopp-Signal" wäre. Der Bundesrat soll ihr antworten, mit welchen Massnahmen dieser die Meinungs­äusserungsfreiheit für alle Personengruppen gewähren will. Ähnliches fragen drei Zürcher Kantonsräte den Regierungsrat.

Was nun mit dem "Marsch fürs Läbe"?

Das OK sieht sich in der kurzen Zeit nicht in der Lage, den geplanten Anlass an einem neuen Ort zu organisieren. Am 19. September werden ab 14 Uhr Videoclips auf der Webseite des "Marsch fürs Läbe" aufgeschaltet. Diese hätten am Anlass selber gezeigt werden sollen.Ob nächstes Jahr, am 18. September 2021, dann wieder das eigentliche Anliegen des Lebensrechts ins Zentrum rücken kann, wird sich erst noch zeigen müssen.
(Autor: David Gysel)

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