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Menschenrechte

Im grössten Flüchtlingslager der Welt

05.11.2018

Für sie gibt es keinen Weg zurück: Fatima und eines ihrer fünf Kinder. Foto: zvg
Für sie gibt es keinen Weg zurück: Fatima und eines ihrer fünf Kinder. Foto: zvg

(idea) - Bei meinem Besuch in Bangladesch habe ich die Gelegenheit, verschiedenen Rohingya-Flüchtlingen* zuzuhören. Allen ihren Geschichten ist eines gemeinsam: das Erleben von unvorstellbarer Gewalt und schmerzhaften Verlusten. In einer unserer Gesundheitskliniken im Lager treffe ich Fatima, eine Rohingya-Mutter von fünf Kindern. Sie erzählt: "Eines Tages fand ich meinen Vater in seinem Zuhause mit einer tiefen Wunde am Kopf vor. Kurz darauf starb er. Auf die Frage, warum mein Vater getötet wurde, finde ich keine Antwort." Als ein nahe gelegenes Dorf angegriffen wird, schliessen sich Fatima und ihre Familie dem Massenexodus Hunderttausender Rohingyas aus Myanmar an. Nach einer fünftägigen, erschöpfenden Reise durch Waldgebiete und nach der Überquerung des Grenzflusses Naf erreichen sie schliesslich das Flüchtlingslager Kutupalong. Nach ihrer Ankunft verdoppelt sich die Lagergrösse innerhalb weniger Wochen. Mit mehr als 600 000 ­Rohingyas lebt Fatima heute im grössten Flüchtlingslager der Welt. Als ich durch die hüglige Slumstadt gehe, scheinen die Reihen der provisorischen Unterkünfte endlos. Plastikplanen und Bambus, soweit das Auge reicht. Das Camp platzt aus allen Nähten. In den dicht gedrängten Hütten gibt es wenig Privatsphäre und die Gefahr von Krankheitsausbrüchen ist allgegenwärtig. Es ist den Flüchtlingen verboten, das Lager zu verlassen. Trotz all dieser Schwierigkeiten wagen die Rohingyas nicht, in ihre Heimat zurückzukehren. Zu unsicher ist die Lage. Ihre Hoffnung besteht darin, dass ihre Identität als ethnische Gruppe der Rohingya von der Weltgemeinschaft anerkannt wird und sie die Staatsbürgerschaft von Myanmar erhalten. Der Ruf der Menschen nach einer offiziell anerkannten Identität findet grosse Resonanz bei mir. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Leben für einen staatenlosen Rohingya aussehen muss. Mein Pass ist voller Visastempel. Es steht mir offen, in fast jedes Land der Welt zu reisen. Als holländischer Staatsbürger habe ich unzählige Rechte, einen sicheren Ort, den ich Heimat nennen kann, einen Arbeitsplatz und vor allem Freiheit. Die Geschichten der Rohingyas zu hören, macht mich tief betroffen. Mit Fatima teile ich die innige Liebe zu meinen Kindern. Doch damit enden die Vergleiche auch schon. Nie wurde ich wie Fatima Ziel ethnischer Gewalt und nie musste ich wie Fatima meinen Kindern eine traumatische Flucht zumuten.Menschen wie Fatima sind der Grund, warum ich für Medair arbeite. Als Opfer einer grossen humanitären Krise sind sie auf unsere Unterstützung angewiesen. Unser Mandat beschränkt sich darauf, Hoffnung und lebensrettende Hilfe zu bringen. Aber ich glaube, dass die Hoffnung den Betroffenen die nötige Kraft gibt, weiterzumachen und an Veränderung zu glauben. Wir möchten sie wissen lassen, dass sie nicht vergessen sind.* Die Rohingya-Flüchtlinge gehören zu den mehr als 68,5 Millionen vertriebenen Menschen weltweit. Dies ist die höchste Zahl an Vertriebenen aller Zeiten.Zur Person: David Verboom ist seit 26 Jahren in Führungspositionen tätig, davon mehr als 20 Jahre im humanitären Bereich. Seit April dieses Jahres ist er Geschäftsführer der christlichen Nothilfeorganisation Medair.

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