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Menschenrechte

„Die Opfer leiden jahrzehntelang!“

23.06.2020

Symbolbilder: zvg
Symbolbilder: zvg

Worb (idea/fi) - Rund 27 Millionen Menschen weltweit sind laut Schätzungen der UNO versklavt. Jährlich kommen 2,5 Millionen Opfer von Menschenhandel dazu. In der Schweiz ist die Anzahl Opfer unbekannt, die Behörden gehen von einer grossen Dunkelziffer aus. Beatrice Angelica Käufeler leitet seit 19 Jahren Projekte gegen Menschenhandel bei der Christlichen Ostmission (COM), Worb. „Menschenhandel ist grausam. Schweigen auch“, ist der Slogan einer Kampagne der COM. Frau Käufeler, was hat Sie persönlich für ein Engagement für die Opfer von Menschenhandel sensibilisiert?
Ich traf auf meiner Asienreise in den 1980er-Jahren junge asiatische Frauen, die von Touristen sexuell ausgebeutet worden sind. Diese Begegnungen gingen mir unter die Haut. Im Jahr 1990, als ich auf der Suche nach meiner Berufung war, hatte ich einen Traum. Ich träumte von ausgebeuteten Mädchen und hörte klare Worte, mich für diese Gruppe einzusetzen. Darauf entschied ich mich, Schritte zu wagen. Und ich erlebte, dass sich in der Folge einige Türen öffneten.
Was für Türen meinen Sie damit?
Ich durfte über einige Jahre Erfahrungen in der Arbeit mit Prostituierten in einem Schweizer Rotlichtviertel machen. Auch für einige Monate auf den Gassen in einem kriminellen Stadtviertel von New Orleans in den USA. In einer Klinik habe ich später, zusammen mit einem Team, sexuell missbrauchte und ausgebeutete Frauen therapeutisch begleitet. Anfangs 2000 öffnete sich dann die Tür, den Bereich Menschenhandel in der COM aufzubauen. Ich spürte hinter all diesen Schritten Gottes spürbares Leiten.
Wie gehen Sie mit den Geschichten der Opfer persönlich um?
Ich versuche, mich einzufühlen in die Situation der Opfer, denen ich jeweils begegne, und zu verstehen, was ihnen zugestossen ist. Auch die Emotionen und Reaktionen, die durch die Übergriffe ausgelöst wurden. Das betrifft auch die Zeit danach, denn ihr Leiden hört ja mit dem schlimmen Geschehen nicht einfach auf. Oft leiden die Opfer jahrzehntelang unter Angst, Depression, Zwängen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Da wird das Leben zum Überlebenskampf. Ihre Geschichten sind aufwühlend. Darum bin ich auch stets darauf bedacht, eine innere Distanz und die Balance zu finden.
Ist unsere Gesellschaft zu wenig sensibilisiert für diesen Missbrauch, der mitten unter uns geschieht? Wenn ja, wo sehen Sie die Gründe dafür?
Ja und Nein. Im Vergleich zu früher ist die Gesellschaft sicher mehr sensibilisiert. Man weiss um sexuelle Ausbeutung, Sklaverei, Gewalt, Prostitution, Pornografie – Bereiche, die oft mit Menschenhandel einhergehen. Auch über Menschenhandel liest man hie und da. Das war, als die Christliche Ostmission ihre Kampagne 2003 startete, nicht so. Doch wirklich informiert sind wenige; die meisten wissen kaum etwas darüber oder nur oberflächlich. Das ist typisch für unsere Zeit: Wir sind überflutet, abgelenkt und durch die Medien wohl mehr abgestumpft, als wir meinen. Damit Menschen heute aufhorchen, braucht es viel mehr: Opfer, die auftreten, Verbrechen, die ans Licht kommen, ein persönliches Erlebnis. Oder Menschen und Organisationen, die konstant an dieses Unrecht erinnern und andere bewegen, aktiv zu werden.Das vollständige Interview von Fritz Imhof, unter welchen Bedingungen sich Ehrenamtliche engagieren können und wie die COM überhaupt zu diesem Engagement gekommen ist, lesen Sie im Wochenmagazin ideaSpektrum 2020.26.

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