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Kolumne

Vom Wissen und Nichtwissen

18.02.2022

Tamara Boppart
Tamara Boppart

Suchen Sie Ihre Ratlosigkeit auf.“ Diesen Rat las ich kürzlich in einem Artikel. Ich blieb gedanklich an dieser Aufforderung hängen. Wie erfrischend das tönt. Weil irritierend anders. Bei Fachstellen oder Personen des Vertrauens Rat einholen ist doch der übliche Ansatz. Aber bewusst ins eigene Nichtwissen horchen?

Seit zwei Jahren haben Expertinnen und Experten Hochkonjunktur. Ein Segen, dass wir sie haben. Das ist für mich unbestritten. Aber manchmal regen sie mich auf, die stets souveränen Sachverständigen. Ich würde mir öfter ein „Wir wissen es nicht“ oder ein „Darauf gibt es keine abschliessende Antwort“ wünschen. Menschen, die scheinbar für alles eine Erklärung oder für jedes Problem eine Lösung haben, misstraue ich. Tönt vielleicht paradox. Aber ein gelegentlicher Durchhänger in der Fachkompetenz würde die Glaubwürdigkeit in meinen Augen erhöhen.

Das gilt genauso für die Welt der Theologie. Auch da höre ich zu oft „So ist es“ und zu wenig „Ich weiss es nicht“. Vielleicht liegt das daran, dass wir Zweiteres noch immer mit Kontrollverlust verbinden. Und das will natürlich niemand. Ist ja auch ein furchtbares Gefühl. Und ein bisschen gefährlich. Sowohl wenn ich selbst nicht mehr zu 100 Prozent überzeugt bin, als auch dann, wenn die „über“ mir plötzlich Unsicherheit durchschimmern lassen würden. Ich will andern öfter meine Ungewissheit gestehen und in mir mein Nichtwissen ertragen. Vielleicht besteht menschliches Leben viel mehr, als uns lieb ist, darin, Ratlosigkeit auszuhalten. Wenn also beim nächsten Bettkantenmoment von meiner 7-Jährigen eine dieser weitreichenden Fragen auftaucht, werde ich ihr mit einem schlichten „Ich weiss es nicht“ antworten und sehen, was passiert.

Tamara Boppart arbeitet bei Campus für Christus Schweiz und wohnt mit ihrer 6-köpfigen Familie in Wil ZH.

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