- ANZEIGE -
E-Paper Abo Anmelden
Ressorts
icon-logo

Kolumne

Umgangsformen

06.06.2023

Daniel Rehfeld
Daniel Rehfeld

Gleich drei Ereignisse haben in der vergangenen Woche meinen Puls kurzfristig in die Höhe schnellen lassen. Da ist zunächst die unerfreuliche Situation am malerischen Oeschinensee, der sich in den letzten Jahren offenbar vom Geheimtipp zum Hotspot gewandelt hat. Vor knapp 40 Jahren habe ich dort im Jung­scharlager nach einer anstrengenden Wanderung am Feuer eine Wurst gebrätelt. Heute sehen sich die Inhaber des Berggasthauses offenbar mit renitenten Touristen konfrontiert, die ihr Personal verbal beleidigen. Sie haben Konsequenzen gezogen und auf Selbstbedienung umgestellt.

Da ist die Situation beim erfolgreichsten Fussballclub Deutschlands. Obwohl Bayern München sich den Meistertitel wortwörtlich in letzter Sekunde gesichert hat, wurde noch während der Feier bekannt, dass Sportchef und Vorstandschef entlassen wurden. Letzterem sei sogar die Reise zu den Feierlichkeiten untersagt worden. Diese Massnahme blieb nicht ohne Folgen. Experten kritisierten sie als stillos und selbst die Fans mochten nicht mehr so richtig feiern.

Oder da wäre das junge Paar, das während einer Wanderung in den süddeutschen Alpen in Bergnot geriet und durch eine aufwendige Aktion von 16 Rettungs­kräften und 2 Hubschraubern aus seiner misslichen Lage befreit wurde. Statt Dankbarkeit gab’s offenbar Vorwürfe, weil das Paar einen Schlafsack zurücklassen musste.

Obwohl ich die genauen Umstände dieser drei Ereignisse nicht aus erster Hand beurteilen kann, stellen sich mir bei solchen Begebenheiten schon die Nackenhaare auf. Und es wäre einfach, sich nun zum kollektiven Protest hinreissen zu lassen. Dass Anstand, Respekt und Zivilcourage heutzutage zu wünschen übrig lassen, steht ausser Frage. Wie das früher war, kann ich nicht beur­teilen. Hingegen empfinde ich Jesu Worte, die uns in der Bergpredigt überliefert sind, topaktuell.
„Handelt allen Menschen gegenüber so, wie ihr es von ihnen euch gegenüber erwartet“ (Lk 6,31; NGÜ). Wenn ich diesen Satz so auf mich wirken lasse, kann ich mir gut vor­stellen, dass schon zu biblischen Zeiten um gepflegte Umgangsformen gerungen wurde. Dass der jahrtau­sendealte Satz Eingang in Lebensweisheiten und in die heutige Kommunikations­fachliteratur gefunden hat, beweist, dass er nicht aus der Zeit gefallen ist. Statt mich über ungehobelte Zeitgenossen zu nerven, werde ich künftig versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen. Was aber nicht heisst, dass Missstände nicht benannt werden dürfen.

Daniel Rehfeld, Chefredaktor

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

IDEA liefert Ihnen aktuelle Informationen und Meinungen aus der christlichen Welt. Mit einer Spende unterstützen Sie unsere Redakteure und unabhängigen Journalismus. Vielen Dank. 

Jetzt spenden.