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Kolumne

Kredit verspielt

28.03.2023

Daniel Rehfeld
Daniel Rehfeld

42 Jahre ist es her, seit meine Schulgspänli und ich in zwei Bussen nach Zürich gefahren wurden. Als adventliche Attraktion sollten wir vor dem Globus Lieder aus der „Zäller Wiehnacht“ vortragen, um möglichst viele Besucher in unsere Dorfkirche zu locken. An Einzelheiten erinnere ich mich kaum noch, ausser dass wir im Anschluss als kleine Bescherung von der Schweizerischen Kreditanstalt eine wärmende Wintermütze in den Farben blau, rot und weiss erhielten. Diese Mütze begleitete mich durch manchen Winter. Seit letzter Woche sind ihresgleichen auf Ebay und Ricardo zu haben, die Angebote liegen im dreistelligen Bereich. Eine Wintermütze im Hoch, die Aktie im Tief – verkehrte Welt. Auch mein Sparschwein, das ich einige Jahre später erhielt, liesse sich inzwischen gut zu Geld machen. Ich verzichte darauf. Erinnerungen sind mir mehr wert als Bares.

Den Umstand, dass ein relevantes, vertrautes Unternehmen der Schweizer Wirtschaft plötzlich sang- und klanglos verschwindet oder in einer Fusion aufgeht, kennen wir seit dem Grounding der Swissair. Betroffen macht es trotzdem und daran gewöhnen mag man sich erst recht nicht.

Während hüben und drüben analysiert wird und man sich einmal mehr gegenseitig „den schwarzen Peter“ zuschiebt (man möge mir die Formulierung verzeihen), lässt mich der Gedanke nicht los, dass es beim Debakel um die Grossbank eigentlich nicht um Dollars, Euro oder Franken geht, sondern um eine Währung, die ungleich höher ist. Sie nennt sich „Vertrauen“. „Geld bedeutet Sicherheit in unserer geldbetonten Welt“, sagte mir Top-Banker Oswald Grübel vor etlichen Jahren in einem Gespräch. Da verwundert es nicht, dass die Sehnsucht nach verlässlichen Werten in finanzieller Hinsicht besonders hoch ist. Umso tragischer, wenn sich sicher geglaubte Werte und Systeme plötzlich in Wohlgefallen auflösen. Das ist übrigens nicht nur beim Geld so. Ungleich schwerer wirken Enttäuschungen in Beziehungen, Familien und nicht zuletzt bei der Sinnfrage nach. Was hält, wenn alles fällt? In zwei Wochen feiern wir Karfreitag und Ostern. Das Ereignis in der Weltgeschichte, wo alle Rechnungen beglichen und die Voraussetzungen für eine lebenswerte Zukunft geschaffen wurden. Christus ist die Hoffnung der Welt, das Vertrauen in Person. Und wir Christen sind hoffentlich Vertrauenspersonen, die zum Glauben einladen. Es wäre zu schade, diesen Kredit zu verspielen.

Daniel Rehfeld, Chefredaktor

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