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Gesellschaft

"Ich habe gestohlen, um zu überleben"

04.05.2021

Richmond Wandera geht zurück in den Slum, um so zu helfen, wie ihm geholfen wurde. Foto: Compassion
Richmond Wandera geht zurück in den Slum, um so zu helfen, wie ihm geholfen wurde. Foto: Compassion

(IDEA) - Es herrschte das Gesetz der Gewalt. Oft hatten wir nichts zu essen, und zwölfmal habe ich Malaria durchgemacht“, schildert Richmond Wandera (38) seine Jugend in einem Slum im ostafrikanischen Staat Uganda. Als er acht Jahre alt war, wurde sein Vater ermordet. „Meine Schwester und ich gingen stundenlang durch die Strassen, um Nahrung zu finden oder jemanden, der Mitleid mit uns hatte.“ Er Stahl auch Obst und Gemüse. Eines Tages zerriss das Kleid seiner Schwester. „Sie tat mir so leid. Deshalb wollte ich ein neues für sie suchen.“ So stahl er ein Kleid von einer Wäscheleine. Er wurde dabei erwischt. Die Besitzer schlugen auf ihn ein. „Die körperlichen Schmerzen waren grausam, aber etwas anderes war noch schlimmer: Das Leben schmerzte mich! Ich hatte Dinge getan, die ein achtjähriger Junge nicht tun sollte. Ich hatte in den Überlebensmodus gewechselt“, beschreibt Richmond Wandera heute seine damaligen Gefühle.

Nicht allein in der Verzweiflung

Seine Mutter war verzweifelt. Sie bat ein Zentrum des christlichen Kinderhilfswerks Compassion um Hilfe. Sie glaubte zwar nicht an Gott, aber dies spielte da keine Rolle. Mitarbeitende aus dem Kinderzentrum besuchten sie zu Hause, um die Situation zu beurteilen. Richmond wurde ins Programm aufgenommen. Als er kurz darauf erfuhr, dass sich Heather, eine Teenagerin auf der anderen Seite der Welt, entschieden hatte, seine Patin zu sein, herrschte Freude. „Wir tanzten, wie es nur Afrikaner können“, erinnert er sich. Wenn ein Kind einen Paten habe, sei das eine gute Nachricht für die ganze Familie. „Ich wusste, dass dies mein Leben für immer verändern würde.“

„Du bist geliebt!“

Richmond Wandera teilt Armut in zwei Kategorien ein: Die materielle Armut und die psychologische Armut, die mit der Denkweise zu tun habe. Die zweite sei wahrscheinlich die Schlimmere der beiden. „Es ist die Stimme, die dein Denken mit negativen Dingen prägt. Sie sagt, dass du wertlos bist, dass du nicht zählst. Sie sagt, dass du nicht geliebt wirst.“ Seine Patin schrieb ihm, dass sie ihn sehr gern habe. Zuerst fiel es ihm schwer, dies zu glauben, aber sie wiederholte die Worte in ihren Briefen immer und immer wieder. Langsam verwurzelte sich die Aussage in Richmond. „Meine Patin half mir, die Stimme der Armut zum Schweigen zu bringen. Um zu überleben, braucht man Nahrung und Wasser, aber es ist genauso wichtig, jemanden sagen zu hören: ‚Du bist geliebt.‘“

Leben heisst lernen

Dank der Patenschaft durfte Richmond wieder Kind sein. Er konnte zur Schule gehen und seine Fähigkeiten entwickeln. Er lernte Rechnen, Englisch, soziale Fähigkeiten und vieles mehr. „Ich habe gelernt zu leben!“, freut er sich und erzählt dies derzeit als Compassion-Botschafter in Schweizer Kirchen. Ausserdem habe er Gott kennen gelernt. Schon in jungen Jahren habe er entdeckt, dass Schmerz und Elend zum Leben gehörten. „Aber jetzt wusste ich, dass Gott in mir alle Dinge zum Besten wirkt.“ Richmond Wandera macht jetzt einen grossen Unterschied in seiner eigenen Gemeinde. Er ist Pastor der Kirche, zu der das Compassion-Zentrum gehört, das ihn als Kind aufgenommen hat. Im Dezember letzten Jahres konnte Richmond sein Studium in Philosophie und Leiterschaft abschliessen.

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