- ANZEIGE -
E-Paper Abo Anmelden
Ressorts
icon-logo

Kolumne

Heute schon gebeichtet?

29.03.2022

Daniel Rehfeld
Daniel Rehfeld

Vor ein paar Wochen wurde David Wagner entlassen. Der Trainer der Berner Young Boys hatte die erfolgreiche Fuss­balltruppe im letzten Sommer übernommen und hat sich nun scheinbar selbst übernommen. Nach ein paar Lichtblicken in der Champions League und einigen fulminanten Begegnungen in der Super League war das Feuerwerk abgebrannt und der Ofen aus. Es brauchte neue Impulse. Sport-Kommentator Türkyilmaz gnadenlos im Blick: „Wagner hat YB zerstört.“

Ein paar Tage danach. Unser aufstrebender Skistar Marco Odermatt ist im Riesenslalom von Kranjska Gora unterwegs. Er sieht wie der sichere Sieger aus – einmal mehr. Und dann wird er „nur“ Dritter. Wie man später herausfindet, ist der Grund dafür ein Stein, der den Ski während der Fahrt aufgeschlitzt hat und deswegen nicht nur die Fahrt beeinträchtigt, sondern auch ein Sicherheitsrisiko dargestellt hat. Zur grossen Kristallkugel hats im Endeffekt trotzdem gereicht. Aber vorher gingen die Wogen hoch.

Zwei Beispiele der harmloseren Sorte, die zeigen, dass bei jedem Missstand sofort ein Schuldiger gesucht – und meist auch gefunden wird. Leider gibt es derzeit noch viel gefährlichere Beispiele. Die Frage nach dem Grund der Pandemie. Ist nun eine Fledermaus in Wuhan schuld – oder steckt ein erfolgreicher amerikanischer Unternehmer dahinter? Und was ist mit dem Krieg in der Ukraine? Hat Putin diesen auf dem Gewissen? Oder ist der Westen mitschuldig? Die Debatte darüber möchte ich an dieser Stelle nicht erörtern. Was ich dazu bereits alles gelesen habe und mit welcher Härte die Debatte zuweilen geführt wird, zeigt aber, dass offenbar jeder zu wissen scheint, wer rechtschaffen argumentiert und wer schuldig ist.

Es ist das altbekannte Muster, das uns schon auf den ersten Seiten der Bibel begegnet. Adam beschuldigt Eva und diese wiederum gibt der Schlange die Schuld. Das Bedauerliche an dieser Strategie ist, dass die Spirale nie durchbrochen werden kann. Weil jeder nur den Schuldigen sucht, statt selbst aus der Gnade Christi zu leben. Im krassen Gegensatz dazu stehen Begriffe wie Busse oder Beichte. Wer sich allerdings darauf einlässt, der spürt, wie befreiend es sein kann, sein Versagen, seine Unzulänglichkeiten und Schuld abzugeben. Bei dem, der von sich sagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Joh 6, 37). Er gewinnt doppelt: einerseits, weil er selbst frei wird, und andererseits, weil er nicht mehr fieberhaft nach einem Schuldigen suchen muss.

Daniel Rehfeld, Chefredaktor

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

IDEA liefert Ihnen aktuelle Informationen und Meinungen aus der christlichen Welt. Mit einer Spende unterstützen Sie unsere Redakteure und unabhängigen Journalismus. Vielen Dank. 

Jetzt spenden.