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Kolumne

Empfangen, statt zu geben

23.10.2022

Tamara Boppart
Tamara Boppart

Als sechsköpfige Familie besuchten wir im vergangenen Sommer unsere Projekte von Global Aid Network in Tansania. Wir wollten einen Einblick vor Ort erhalten und selber einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände von benachteiligten Menschen leisten. Soweit unser Plan.

Die Realität: Ich sass irgendwo im Massailand und wurde das Gefühl nicht los, dass wir nur nehmen, statt zu geben. Wir wurden dreimal täglich bekocht, mit dem Toyota chauffiert und betraten mit staubigen Schuhen Häuser. Bei den Besuchen in den abgelegenen Dörfern überhäuften die Massai uns mit Tänzen, Tüchern und Aufmerksamkeit. Als Dank für die Brunnenbohr-­Arbeiten, die andere geleistet haben. All das war mir unangenehm. Ich war mir zu sehr Ehrengast. Ihre Grosszügigkeit beschämte mich. Eigentlich wollte ich alles umdrehen. Mit meinem Empfinden stiess ich an kulturelle Wände. Ich realisierte, dass ich unsere Gastgeberin beleidige, wenn ich meinen Teller in die Küche trage oder ihr sage, dass wir eigentlich kein Mittagessen brauchen. Also liess ich sie viel zu aufwendig und viel zu viel kochen. Weil ich verstanden habe, dass ich ihr sonst ihren Auftrag raube, sich gut um die Gäste zu kümmern. Ihr zuliebe hielt ich es aus, zu empfangen. Ob ich mich dabei gut oder schlecht fühlte, war nicht der Punkt. So lernte ich auch, mich einfach zu irgendwem dazuzusetzen und nichts zu tun. Ausser zusammen zu sein und nichts zu verstehen.

Obwohl wir in ein und derselben Welt leben, liegen Welten zwischen unseren Lebensrealitäten. Und doch verbindet uns mehr, als uns trennt. All das versuchte ich mit einem Lächeln zu sagen. Denn diese Geste war alles, was ich in diesem Moment zu geben hatte.

Tamara Boppart arbeitet bei Campus für Christus Schweiz und wohnt mit ihrer 6-köpfigen Familie in Wil/ZH.

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