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Frei-/Kirchen

„Durch Jesus hat sich mein Leben um 180 Grad gewendet“

31.03.2021

Studenten von „Cultures“ sind in lokalen Kirchen verwurzelt. Zweiter von links, oberste Reihe: Egzon Shala, Mitbegründer von &cultures.
Studenten von „Cultures“ sind in lokalen Kirchen verwurzelt. Zweiter von links, oberste Reihe: Egzon Shala, Mitbegründer von &cultures.

(IDEA) - Traumatische Erlebnisse, Entwurzelung, Hass und Sinnlosigkeit prägten Egzon Shalas Leben. Die Erkenntnis, dass Jesus ihn liebt und für ihn gestorben ist, vertrieb seine Ängste und Hoffnung veränderte ihn von innen heraus. Als er 2008 nach Kosovo ausgeschafft wurde und er meinte, er müsse für immer dort bleiben, kam ein tiefer Friede über ihn und er hörte Gottes Zuspruch: „Ich komme mit dir!“ Heute gilt seine ganze Leidenschaft dem Bau des Reiches Gottes in der Schweiz. Unter anderem ermutigt er christliche Migranten aus aller Welt, ihre Verantwortung wahrzunehmen und das Evangelium mit Menschen aus der eigenen Kultur zu teilen. Sein Traum ist es, dass Migranten, die sich zu Christus bekennen, vermehrt in Gemeinden und Organisationen eingebunden werden und gemeinsam mit Schweizern Gottes Reich bauen.

Egzon Shala, Sie sind bis zum Alter von neun Jahren im Kosovo aufgewachsen, später lebten Sie noch einmal acht Monate dort. Was lieben Sie an der kosovarischen Kultur?
Vieles! Der familiäre Zusammenhalt, das Essen, eine gewisse Leichtigkeit im Leben und die Risiko- respektive Experimentierfreudigkeit.

1999 floh Ihre Familie nach Deutschland …
Als meine Eltern mit mir und meinen drei Geschwistern aus dem Kosovo flohen, war das traumatisch: brennende Häuser, Massenflucht, Bomben, Raketen … Ich wurde entwurzelt, hatte Ängste – ein Notzustand! Es ging ums Überleben. Wir wanderten tagelang über Berge, durchquerten Bäche. Montenegro, Albanien, Italien – ungefähr acht Monate dauerte es, bis wir endlich in Deutschland ankamen.

Wie hat sich die Ankunft für Sie angefühlt?
Die Diskrepanz zwischen dem inneren Angespanntsein und dem Äusseren, das sich so schön präsentierte, war extrem. Ich fühlte mich unbeholfen, alles war fremd. Die Sprache – alles! 2004 kamen wir in die Schweiz. Während des ersten Jahres wurden wir vier Mal umverteilt – von einem Asylzentrum ins andere. Irgendwie wusste ich nicht genau, was da mit uns geschah. Ein weiteres Mal musste ich einfach funktionieren.

2008 haben Sie sich für Jesus entschieden. Wie hat Ihre muslimische Familie auf diese Entscheidung reagiert?
Gemischt. Meine Familie hat gesehen, wie sehr ich mich verändert habe. Sie fragten sich, wie das möglich sei. Ich war vorher aggressiv, gewaltbereit. Als ich Jesus kennen lernte, hat sich mein Leben um 180 Grad gewendet. Meine Konversion war aber auf der anderen Seite für mein Umfeld äusserst schambehaftet. Man spricht in unserer Kultur nicht gerne über etwas so Ungewöhnliches.

Wie ist Ihre Beziehung zu Ihrer Familie heute?
Meine Familie ist sehr wichtig für mich. Wir haben einen guten Draht zueinander. Meine Eltern und mein Bruder leben im Kosovo, meine zwei Schwestern in der Schweiz. Das Thema Glaube ist in meiner Familie zu einem normalen Gesprächsthema geworden, aber ich bin der Einzige, der Christ ist.

Welches ist die grösste Hürde beim Einleben in der Schweiz für Menschen aus anderen Kulturen?
Hier in der Schweiz herrscht ein hohes Tempo, eine starke Struktur, ein klar definiertes System. In der Schweiz musst du „funktionieren“, wenn du das nicht schaffst, kommen grosse Herausforderungen auf dich zu. Jede Person, die als Flüchtling in die Schweiz kommt, bringt aus ihrem Land, aus ihrer Kultur einen Rucksack mit. Manche schaffen es nicht, sich in dieses ordentliche System einzufügen.

Sie arbeiten bei der SEA als Interkultureller Beauftragter für die Arbeitsgemeinschaft interkulturell. Was muss man sich darunter vorstellen?    
Unser Slogan lautet: „Gemeinsam interkulturell handeln.“ Damit wird deutlich, dass bei all unseren Tätigkeiten die Vernetzung im Vordergrund steht. Unser Fokus liegt auf den folgenden Bereichen: Flüchtlinge, Migranten mit christlichem Hintergrund, Schweizer, die sich interkulturell engagieren, und Kirchen – sowohl Migrations- wie auch Schweizerkirchen. (Mehr zu den konkreten Tätigkeitsbereichen siehe unten.)

Wie funktioniert das Angebot von „Cultures“?
Alle unsere Studenten sind Migranten-Christen, sie werden von einer lokalen Kirche „ausgesandt“ und während der Ausbildung gecoacht. Sie werden damit beauftragt, während ihrer Ausbildung Projekte vor Ort, in ihrer Lokalkirche, zu realisieren. Nach der Ausbildung sind verschiedene Wege möglich, einige kehren in ihr Heimatland zurück, um dort Gottes Reich zu bauen. Andere fühlen den Ruf, sich in Flüchtlingscamps in Griechenland um ihr Volk zu kümmern. Absolventen bringen sich nach wie vor in der Schweiz in ihrer lokalen Kirche ein.

Wovon träumen Sie als Interkultureller Beauftragter der SEA?
Dass wir alle zuerst nach Gottes Reich trachten. Damit wird nämlich unser Anliegen grösser, dass alle Menschen Gott den Vater kennen lernen, und die kulturellen Unterschiede werden kleiner. Wenn wir Gottes Reich die erste Priorität geben, rücken Namen, Logos, Nationalitäten und Kulturen in den Hintergrund. Genau das leben wir bei SEA interkulturell zusammen mit unseren Partnern, Gemeindeverbänden, Missions- und anderen Werken. Das Anliegen, Gottes Reich zu bauen, verbindet uns. Die „Night of Hope“, die über Ostern stattfindet, ist dafür ein gutes Beispiel.
(Interview: Helena Gysin)

Egzon Shala

Egzon Shala (31) wurde im Kosovo in der Stadt Peja geboren. Nach turbulenten Jahren auf der Flucht kam er 2004 in die Schweiz, absolvierte eine Ausbildung zum Carrosserie-/Autosattler, arbeitete im Leitungsteam bei &acts, später als Asylbetreuer und bildete sich weiter zum Migrationsfachmann. Er ist Mitbegründer von „&cultures“, einer modularen Ausbildung für Menschen mit Migrationshintergrund. Seit 2019 ist Shala bei der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA im Bereich der „Arbeitsgemeinschaft interkulturell“ tätig. Mit seiner Ernennung als Interkultureller Beauftragter und der Aufstockung des Pensums auf 80 Prozent verleiht die SEA der interkulturellen Arbeit ein höheres Gewicht. Egzon Shala ist verheiratet und Vater von zwei Buben.

Die vier Pfeiler der interkulturellen Arbeit der SEA

  1. Flucht: Wir unterstützen Flüchtlinge, koordinieren Integrationsangebote wie die Kulturschule, wir geben Flüchtlingen eine Stimme, lancieren Sensibilisierungskampagnen zum Flüchtlingssonntag usw.

  2. Bildung: Wir schulen mit fachspezifischen Seminaren Schweizer, die interkulturell tätig sind. Mit „&cultures“ richten wir uns an Menschen mit Migrationshintergrund. Die 18 Module eines Lehrgangs drehen sich um Themen wie Gemeindegründung, interkulturelle Arbeit, Kulturen und Evangelisation.

  3. Gemeindebau: Unser Ziel ist es, dass Migrations- und Schweizerkirchen einen gemeinsamen Weg gehen. Damit möchten wir einen positiven Einfluss ausüben in einer Gesellschaft, die mehr und mehr von einer kulturellen Vielfalt geprägt ist.

  4. Leiterschaft: Durch verschiedene Arbeitsgruppen und Leitertreffen fördern wir die Vernetzung und Zusammenarbeit auf Augenhöhe, über kulturelle Grenzen hinweg.

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