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Interview

„Der Teufel trägt das Kleid des guten Zwecks“

27.06.2020

Der Publizist und Schriftsteller Giuseppe Gracia und sein neustes Buch, der Thriller "Der letzte Feind". Fotos: idea/Rolf Höneisen; zvg
Der Publizist und Schriftsteller Giuseppe Gracia und sein neustes Buch, der Thriller "Der letzte Feind". Fotos: idea/Rolf Höneisen; zvg

(idea) - Giuseppe Gracia, worum geht es in Ihrem neuen Roman?
Im Buch ist die Rede von einem 'digitalen Turmbau zu Babel' im Zuge der Globalisierung. Es heisst, die Erbauer dieses Utopia hätten 'den Eckstein der Erbsünde verworfen'. Das bringt es auf den Punkt: Das Versprechen unserer Zeit ist ein multikulturelles, transnationales Wohlstandsparadies ohne Christentum, auf der Grundlage eines sich selbst erlösenden, digital gerüsteten Menschen. Keine Offenbarung, kein Gott. Aber kann eine solche Gesellschaft überhaupt frei sein und menschlich bleiben? Das ist die Frage, um die sich der Roman dreht.Angekündigt wird das Buch als Thriller. Ist es eine Verschwörungsstory à la "Da Vinci Code" und Dan Brown?
Ich habe Romane über Fremdarbeiter in der Schweiz geschrieben, über Liebe, Freundschaft, Terror. Aber nie über das Christentum. Das wollte ich nun wagen, in Form eines Thrillers. Jedoch nicht wie Dan Brown, der wohl wenig von Christentum oder Kirche versteht. Ich wollte möglichst viel Substanz bieten. Aber so, dass auch Glaubensferne und Atheisten fasziniert sein können. Trotzdem - es ist ein Krimi rund um Intrigen im Vatikan. Warum sollte ich das lesen? Ich bin freikirchlich verortet ...
Nein, es geht eigentlich nicht um die Kirche, sondern um den Kampf gegen das Christentum.Das klingt anspruchsvoll. Wer will denn das Christentum aus­hebeln?
Ich schildere einflussreiche Kreise, welche die Menschheit im Sinn globalistischer Programme verändern wollen. Der südkoreanische Philosoph Byung-Chul Han spricht von einer Herrschaft der Optimierung, sekundiert von Menschenbörsen, Krippen und chemischen Mitleids­tötungen fürs nachproduktive Alter. Wissenschaft und Forschung als Potenzmittel des Handels, die Politik als Gouvernante und Human-Ressources-Abteilung. Eine Totalverwertung des Lebens. Da ist das Christentum natürlich im Weg, überhaupt Religion. Glaubenstreue Christen sind auch skeptisch gegenüber moralisch-pädagogischen Staatsmächten, die in die Rolle von Aposteln und Propheten schlüpfen. Eliten, die sich humanistisch geben, in Wahrheit aber nicht den realen Menschen lieben, sondern nur ihre eigene, utopische Vorstellung. Welche Vorstellung meinen Sie? 
Der Mensch ohne Erbsünde, ohne Erlösungsbedürftigkeit. Der Mensch als sein eigener Schöpfer. Aber dazu muss die Menschheit eben zuerst umgeformt und optimiert werden, durch Transhumanismus und andere Techniken. Die grossen Weltverbesserer der Geschichte hatten immer den perfekten Plan. Sie waren keine Liebhaber des Lebens an sich. Sie liebten nur ihr Ideal. Und weil die meisten von ihnen - wie auch heute wieder - vermögend waren, konnten sie ihre Visionen lange vor den Zumutungen der Realität abschirmen. Im Privatpark einer Villa lässt sich eben prächtig über das Hohe und Edle sinnieren.Das heisst, Sie verpackten die grossen Themen der Postmoderne und der nachchristlichen Auseinandersetzungen in Ihre Story?
Das Ziel war ein Pageturner mit Tiefgang. Eine Art philosophischer Thriller zwischen Technikgläubigkeit und Christentum, zwischen Humanismus und globaler Totalverwertung des Menschen.Und auch den Teufel nehmen Sie ernst ...
Tatsächlich spielt ein altgedienter Exorzist in meinem Roman eine wichtige Rolle. Dieser erklärt den skeptischen Kollegen, dass das Böse in der Welt nach wie vor wirkt. Dass der Teufel aber nicht auf plumpe Art in Erscheinung tritt wie in den Hollywood-Filmen. Vielmehr setzt der Teufel auf sanfte, schmeichelhafte Einflüsterungen, auf die schönen Ideen eines besseren Selbst und einer besseren Welt. Sie glauben, der Teufel wüte derzeit in lieblicher Verpackung unter uns? 
Der Teufel trägt das attraktive Kleid des applauswürdigen guten Zwecks. Er stellt keine radikalen Forderungen, sondern setzt auf einen von Grundfragen befreiten Pragmatismus, mit dem er dann Stück für Stück, ganz unmerklich, unsere moralischen Standards herabsetzt - immer nur ein klein wenig, während das gesellschaftliche Niveau langsam sinkt. Wer ist "Der letzte Feind" gemäss dem Titel des Romans?
Für die Gegner des Christentums ist die Religion der letzte Feind der Freiheit. Und für die Verteidiger des Christentums ist es eine Gesellschaft, die sich von Gott entfernt und unmenschlich wird. Weil es ohne Christentum keine Freiheit, keine wahre Liebe geben kann. Und natürlich muss man hier auch an den Apostel Paulus denken. Er sagt, dass der Tod der letzte Feind ist, der vernichtet wird.Was gewinne ich, wenn ich Ihr neues Buch lese?
Ich hoffe, Sie erleben ein grosses Abenteuer, so wie ich beim Schreiben. Spannung, Mord, Liebe, Hoffnung und bösartige Dunkelheiten. Ich hoffe, Sie mögen das Buch gleich mit dem ersten Kapitel nicht mehr weglegen. 
(Interview: Rolf Höneisen)

Giuseppe Gracia; neuer Roman

Giuseppe Gracia ist sizilianisch-spanischer Abstammung, verheiratet und hat zwei Kinder. Der Schweizer arbeitet als Publizist, Medienberater und Schriftsteller: "Das therapeutische Kalifat" (2018), "Der Abschied" (2017), "Santinis Frau" (2006), "Kippzustand" (2002) u. v. m. Gracia ist fester Kolumnist bei der Zeitung "Blick" und publiziert Gastbeiträge in Medien wie NZZ und Focus Online. Als PR-Berater betreut er verschiedene Mandate, u. a. für das Bistum Chur.In Gracias neuem Roman "Der letzte Feind" (260 Seiten, 2020, Fontis Basel, ISBN 978-3-03848-196-6) plant die katholische Kirche in Rom das "Dritte Vatikanische Konzil". Bereits im Vorfeld kommt es zu mysteriösen Todesfällen und während des Konzils zu einem brutalen Anschlag. "Der letzte Feind" ist ein philosophischer Thriller zwischen Technikgläubigkeit und Christentum, zwischen Humanismus und globaler Totalverwertung des Menschen. Grandios ausbalanciert und inszeniert, packend geschrieben.

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