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Gesellschaft

Der Pfuusbus ist gefragt wie nie

28.04.2022

Walter von Arburg. Foto: zvg
Walter von Arburg. Foto: zvg

(IDEA) - Trotz der Pandemie sind die Zahlen der Übernachtungen in den Notschlafstellen auch in der letzten Wintersaison leicht gestiegen. Walter von Arburg, Kommunikationsbeauftragter der Sozialwerke Pfarrer Sieber, erläutert die Hintergründe.

IDEA: Die zweite Pandemie-Saison liegt hinter uns. Welche Erkenntnisse aus der ersten Saison haben Sie umsetzen können?

Walter von Arburg: Von grossem Wert waren die Erfahrungen mit unseren Schutzkonzepten, die wir Anfang der Corona-Pandemie für jeden einzelnen Betrieb ausgearbeitet hatten. Nach dem ersten Corona-Jahr haben wir sie modifiziert und wo nötig angepasst, sodass wir ein ruhiges zweites Jahr hatten.

Trotz Corona sind die Übernachtungszahlen gestiegen. Wie erklären Sie sich das?

Das Bedürfnis nach Geborgenheit war bei Betroffenen vermutlich stärker als die Angst vor einer Ansteckung. Unter Obdachlosen hat sich offenbar herumgesprochen, dass unsere Notschlafstellen sicher sind und man sich dort nicht ansteckt. Hier kommt der wohl wichtigste Aspekt unserer Angebote zum Tragen. Pfarrer Sieber betonte stets, dass es nicht nur darum geht, Menschen ein Dach über dem Kopf, warme Mahlzeiten und frische Kleider zu geben. Nach dem Vorbild Christi geht es theologisch gesprochen darum, Gemeinschaft zu leben. Dass wir also nicht nur für Notleidende, sondern mit ihnen unterwegs sind, dass wir mit ihnen eine Art Weggemeinschaft bilden. In unseren Notschlafstellen schenken wir ihnen konkret Zeit und offene Ohren.

Kann man bezüglich Zunahme der Übernachtungen von einem Trend sprechen?

Das ist schwierig zu sagen. Wir haben wegen Corona zwei aussergewöhnliche Saisons hinter uns, die sich nicht eins zu eins mit den Vorjahren vergleichen lassen. Nachdenklich stimmt mich aber schon, dass trotz Pandemie und Angeboten des Sozialstaats nicht weniger Menschen auf der Strasse leben. Offensichtlich geht es nicht nur um finanzielle und materielle Linderung von Not. Die materielle Versorgung der Menschen ist eben nur ein Aspekt der Hilfe, die sie benötigen. Einen zentralen Aspekt menschlichen Lebens kann aber ein noch so gut ausgebauter Sozialstaat nicht wahrnehmen: Nächstenliebe. Wir stellen fest, dass Vereinsamung und soziale Desintegration um sich greifen. Das sind die Probleme, die sich mit keinem Geld der Welt lösen lassen. Hier ist menschliche Zuwendung gefragt. Pfarrer Sieber sagte immer wieder: Der Staat kann nicht lieben. Er meinte damit, dass es eben um mehr geht als um ein Dach über dem Kopf, Arbeit und Geld. Der Vereinsamung und der seelischen Not vieler Menschen muss zusätzlich begegnet werden. Mit konkret gelebter Nächstenliebe.

Waren gegen Ende der Saison bereits Auswirkungen des Ukraine-Konflikts spürbar?

Durchaus. Allerdings zunächst nicht in Form von Ukraine-Flüchtlingen, die bei uns gestrandet wären. Sondern wir stellten fest, dass sich der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und Hilfe stark auf die Unterstützung der vom Krieg betroffenen Menschen richtete. Inzwischen sind nun auch in unseren Anlaufstellen Menschen aus der Ukraine gestrandet.
(Interview: Daniel Rehfeld)
swsieber.ch

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