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Glaube

Corona-Verirrungen mit der Bibel

20.01.2022

Jacob Thiessen. Foto: zvg
Jacob Thiessen. Foto: zvg

(IDEA) - Jetzt sind Hoffnungsträger gefragt, die das positive Zeugnis von Gott in der Gesellschaft kommunizieren. Wer sein Leben auf die Bibel gründet und Jesus Christus vertraut, der muss nicht in ständiger Angst vor Verführung leben. Die nachfolgenden Ausführungen im Umgang mit theologischen Fragen rund um Corona sollen klären und helfen.

Das „Malzeichen des Tieres“

Wiederholt ist die Corona-Impfung mit dem „Malzeichen des Tieres“ aus der Offenbarung (vgl. u. a. Offb 13,16 f.) in Verbindung gebracht worden. Ich bin auf dieses „Mal­zeichen“ in einem Aufsatz über den Antichristus in der Bibel eingegangen. Er wird in ein Buch aufgenommen, das demnächst erscheinen wird („Der Antichristus in der Bibel im jüdischen und altkirchlichen Kontext, in: A. Späth [Hg.], Antichrist, Endzeit und die Gemeinde Jesu, Ansbach: Logos Editions, 2022). Auch in einem Vortrag, der auf meinem YouTube-Kanal (www.youtube.com/c/JacobThiessen-STHBasel) abrufbar ist, bin ich darauf eingegangen. Nachfolgend das Wesentliche in Kürze.

Das griechische Wort charagma, das u. a. in Offb 13,16 f. erscheint, bedeutet „Einprägung, Gravur, Tätowierung, Zeichen, Merkmal, Stempel; Inschrift; Bild, Darstellung. Es ist mit dem Wort charakter (Einpräger, Einprägung) verwandt. Dieses Wort, das im griechischen Neuen Testament nur in Hebr 1,3 erscheint, wird in der Septuaginta in 3. Mose 13,28 für „Narbe“ und in 2. Makk 4,10 für „Lebensart“ gebraucht. Nach Offb 13,16-18 werden die Menschen das „Malzeichen“ entweder an der Stirn oder an der rechten Hand (nicht Arm!) erhalten, wobei es sich um den „Namen des Tieres“ oder um die „Zahl des Namens“ handelt, und diese Zahl ist die „Zahl eines Menschen“, nämlich die Zahl 666 (= Zahlenwert des Namens der Person). Ich weiss bisher von keinem Fall, dass jemand die Corona-Impfung auf der Stirn oder auf der rechten Hand erhalten hat. Zudem enthält diese Impfung weder einen Namen noch die „Zahl des Namens“.

Das „grüne Kennzeichen“ in Israel

Da das Corona-Zertifikat in Israel taw jarok (= „grünes Kennzeichen“) genannt wird, will man auch darin eine „Bestätigung“ finden, dass es sich dabei um das „Malzeichen des Antichristus“ handelt. Was ist da dran? Bei dem Ausdruck taw handelt es sich einerseits um den letzten Buchstaben des hebräischen Alphabets (griechisch: Omega), andererseits bedeutet er „Kennzeichen“. Dieses Wort erscheint z. B. in Hes 9,4.6: „Und Jahwe sprach zu ihm: ‚Geh mitten durch die Stadt, mitten durch Jerusalem, und zeichne ein Kennzeichen an die Stirnen der Männer, die über all die Gräuel, die in ihrer Mitte geschehen, seufzen und stöhnen!‘ … Greise, junge Männer und Jungfrauen, Kinder und Frauen erschlagt [bis] zur [vollständigen] Vernichtung, aber niemandem, an dem das Kennzeichen ist, dürft ihr euch nähern! Bei meinem Heiligtum sollt ihr anfangen! Da fingen sie bei den Männern an, [nämlich bei] den Ältesten, die vor dem Haus waren.“

Diese Aussage scheint in Offb 7,3 ff. aufgegriffen zu werden (vgl. auch Offb 14,1). Das „Kennzeichen“ könnte also genauso gut auf die Versiegelung der Gläubigen bezogen werden. Das „grüne Kennzeichen“ auf das „Malzeichen des Antichristus“ zu beziehen, erachte ich als sehr willkürlich. Wenn schon, dann müsste man nicht nur die Impfung, sondern auch das Corona-Zertifikat nach einer Genesung als „Malzeichen des Antichristus“ einordnen. Beim „Malzeichen“ in der Johannesoffenbarung handelt es sich um eine bewusste Auslieferung unter die Autorität des Gotteswidersachers und damit um eine bewusste Abwendung von Gott. Eine „heimliche Übergabe“ zum Beispiel durch eine Impfung ist ausgeschlossen.

Immer wieder wird betont, dass die Stirn in der Johannesoffenbarung in diesem Zusammenhang für die Gesinnung stehe und die (rechte) Hand für das Handeln. Wäre diese Deutung richtig, würde das jedoch bedeuten, dass die Betroffenen entweder ihre Gesinnung oder ihre Handlung durch das „Tier“ prägen lassen, zumal in Offb 13,16-18 davon die Rede ist, dass die Leute die „Einprägung“ entweder auf der Stirn oder an der rechten Hand haben. Es ist davon auszugehen, dass das „Malzeichen“ in enger Beziehung zur Gesinnung und zur Handlung der Betroffenen steht, wobei man die Handlung nicht von der Gesinnung trennen kann. Es scheint aber auch vorausgesetzt zu werden, dass es sich um eine Art angebrachtes Kennzeichen am Körper handelt.

Pharmakon in der Johannesoffenbarung

In Offb 9,21 lesen wir: „Und sie bekehrten sich auch nicht von ihren Morden, ihrer Zauberei, ihrer Unzucht und ihrer Dieberei.“ Dabei wird das griechische Wort pharmakon mit „Zauberei“ wiedergegeben. Nun wird gesagt, in der Johannesoffenbarung sei pharmakon nicht mit „Zauberei“, sondern mit „Pharma-Giftmischerei“ zu übersetzen. Daraus wird gefolgert, die Corona-Impfung stehe mit dem „Malzeichen des Tieres“ in Verbindung.

Wie man aus dem Gebrauch der Wortgruppe pharmakon (φαρμακεύω = Gift/Medizin mischen; Zauberei betreiben“; φάρμακος = Gift-/Arzneimischer; Zauberer; φάρμακον/φαρμακεία = Giftmischung, Arzneimittel; Zauberei) in der Septuaginta (der griechischen Übersetzung des Alten Testaments aus dem 3. bis 2. Jh. v. Chr.) und dem Neuen Testament schnell sehen kann, wird die Wortgruppe mit Ausnahme von Weish 1,14 (φάρμακον ὀλέθρου = Gift des Verderbens), Sir 6,16 (φάρμακον ζωῆς = Medizin des Lebens/zum Leben“, Sir 38,4 (φάρμακα = Arzneimittel) und 2. Makk 10,13 (φαρμακεύσας = Gift mischend) im Sinn von Zauberei, Zauberer usw. gebraucht (wobei im hebräischen Text des Alten Testaments auch entsprechende Begriffe verwendet werden).

Der Hintergrund ist der folgende: Das Wort pharmakon bezeichnet „eigentlich“ Gift. Schlangengift wurde u. a. im Äskulapkult (Asklepiuskult) – der zur Zeit der Entstehung der Johannesoffenbarung neben Epidaurus in Pergamon in Kleinasien ein grosses Zentrum hatte – zu medizinischen Zwecken verwendet. Da dabei nicht nur die Medizin, sondern auch die heidnischen Kulte eine zentrale Rolle spielten, hat das aus jüdischer und neutestamentlich-christlicher Sicht sehr viel mit „Zauberei“ zu tun. Darum wird das Wort in der Septuaginta und im Neuen Testament allgemein in diesem übertragenen Sinn verwendet. Daraus nun eine Corona-Impfung zu machen, ist völlig willkürlich. Wenn schon, müsste man es auf jegliche Medizin beziehen.

„Gott mehr gehorchen als Menschen“

Die Aussage in Apg 5,29 ist zurzeit unter manchen Christen so beliebt wie noch nie: „Petrus aber und die Apostel antworteten und sprachen: ‚Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.‘“ Damit wird der Widerstand gegen politische Verordnungen rund um Corona begründet. Aber Achtung: Gott hat auch verordnet, dass die Gläubigen sich der staatlichen Obrigkeit unterordnen sollen. Paulus stellt in Röm 13 klar, dass man sich Gott dann unterordnet, wenn man sich der staatlichen Obrigkeit unterordnet. Also sollten wir diesen Aspekt nicht gegen den Gehorsam Gott gegenüber ausspielen.

Paulus schreibt in Röm 13,1: „Jedermann unterordne sich den übergeordneten Vollmächten; denn es ist keine Vollmacht ausser von Gott, und die bestehenden [Vollmächte] sind von Gott verordnet.“ Paulus schrieb den Römerbrief wahrscheinlich im Winter 56/57 n. Chr., auf jeden Fall unter der Herrschaft von Kaiser Nero, der nicht gerade als „christlicher“ Kaiser gilt. Den Titusbrief schrieb der Apostel ebenfalls zur Zeit von Kaiser Nero, und zwar wahrscheinlich im Jahr 65 n. Chr., d. h. nachdem die grausame Christenverfolgung durch Nero bereits begonnen hatte. In Tit 3,1 fordert Paulus Titus auf: „Erinnere sie daran, sich Herrschaften [und] Vollmächten zu unterordnen, zu gehorchen, zu jedem guten Werk bereit zu sein.“

Das griechische Wort exousia, das an den Stellen gebraucht wird, bedeutet „Vollmacht, Recht, Verfügungsrecht, Kompetenz, Autorität“. Jede wahre Vollmacht kommt von Gott. Damit ist nicht gesagt, dass jede staatliche Obrigkeit immer in dieser Vollmacht Gottes handelt.

Die antichristliche Obrigkeit wird nach der Johannesoffenbarung in der Vollmacht Satans handeln (vgl. u. a. Offb 13,4). Auch ist den Verfassern der biblischen Schriften durchaus bewusst, dass Politiker oft nicht nach dem Willen Gottes handeln. Gleichwohl wird von Christen eine allgemeine Grundhaltung der Unterordnung erwartet, die nicht Menschen verherrlicht, aber davon ausgeht, dass Gott letztlich Politiker zulässt oder verhindert. „Bürgerrechte“ darf man nicht mit einer einseitigen biblischen Begründung durchsetzen. Gott hat uns nach Phil 1,29 durch Jesus Christus aus Gnaden gewährt, „nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden“. Die königliche Herrschaft Gottes, die durch Jesus Christus verwirklicht wird, verbreitet sich nicht mit Gewalt und Hass, sondern durch Liebe und Vergebung. Als Christen sind wir aufgerufen, dafür ein Zeugnis in der Welt zu sein.

Es geht nicht darum, dass wir uns naiv und ohne zu überlegen politischen Verordnungen unterwerfen. Mich erstaunt jedoch, dass manche Christen in Corona-Zeiten in so vielen Bereichen zu Experten geworden sind, ohne dass sie je Medizin studiert haben. Andererseits sollten wir nicht übersehen, dass wir gerade als „religiöse“ Gemeinschaften derzeit in Sachen Corona-Verordnungen Vorteile geniessen.

Respekt bei unterschiedlichen Erkenntnissen

Als Familie erleben wir die Corona-Impfung als Segen und als Gabe Gottes, wobei wir respektieren, dass jeder diesbezüglich persönlich seine Entscheidung treffen muss. Wichtig ist aus biblischer Sicht, sachlich und bescheiden zu bleiben, was die eigene Erkenntnis und den Umgang miteinander betrifft. In Röm 14 und 15 geht Paulus auf den gegenseitigen Umgang in Bezug auf Themen ein, bei denen die Erkenntnis unter Gläubigen unterschiedlich ist. Dabei schreibt er in Röm 14,10: „Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden alle [einzeln/persönlich] vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden.“ Und in Röm 14,17 f. ergänzt der Apostel: „Die Königsherrschaft Gottes besteht nicht in Essen und Trinken, sondern in Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist. Denn wenn ihr darin Christus dient, werdet ihr Gott wohlgefällig und den Menschen gegenüber erprobt sein.“ Wir sollten uns immer wieder selbstkritisch hinterfragen. In der Corona-Pandemie leiden zu viele Gemeinden darunter, dass die echte Liebe, die echte Demut und auch der echte gegenseitige Respekt häufig fehlen.

Inzwischen kennen wir wohl alle Menschen, die aufgrund von Unvorsichtigkeit mit zum Teil tragischen Folgen durch das Virus infiziert wurden. Weil ich sie achte und schätze, tun sie mir leid. Gott verbietet uns nicht, den Verstand zu gebrauchen; vielmehr soll der Verstand auf der Grundlage des Wortes Gottes ständig erneuert werden, „damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene“ (Röm 12,2). Durch einen vernünftigen, bibelgemässen Gebrauch des Verstandes wird das Gottvertrauen auf dem Fundament der Bibel gestärkt.

Jesus hat den schmerzvollen Kreuzestod auf sich genommen, um der Welt den Frieden zu bringen (vgl. Jes 53,5; Eph 2,14-16; Kol 1,20). Und der Apostel Paulus schreibt in 1. Kor 8,13, dass er nie und nimmer Fleisch essen würde, wenn er dadurch dem (Glaubens-)Bruder ein Hindernis wäre (vgl. 1. Kor 9,24-27). Wenn nun Christen aus Bequemlichkeit (!) nicht bereit sind, aus Rücksicht gegenüber anderen und um des Friedens willen z. B. im Gottesdienst eine Maske zu tragen, verstehe ich die Welt nicht mehr. Und wenn diese Haltung dann noch mit „frommen“ Worten begründet wird, finde ich es umso schlimmer, weil das Evangelium bzw. Gott selbst dadurch verunehrt wird. Wer soll denn in dieser Welt Frieden stiften und den (wahren) Frieden weitergeben, wenn nicht diejenigen, die den Frieden Gottes durch Jesus Christus im Herzen haben? Wer Frieden sät, wird Frieden ernten – innerlich, und zu seiner Zeit auch äusserlich (vgl. Gal 6,7).

Ich hoffe, diese Ausführungen im Umgang mit (theologischen) Fragen rund um Corona sind hilfreich. Gerade jetzt hat die Welt das positive Zeugnis der Gläubigen nötig. Uns stehen derzeit viele Türen offen, der Welt die Liebe, die echte Toleranz (= Ertragen) im Sinn der Bibel und das tiefe Fundament des Gottvertrauens weiterzugeben. Lasst uns in diesem Sinn in dieser dunklen Welt leuchten, nicht als Besserwisser! Auf dem Fundament der Bibel stehend und Jesus Christus vertrauend, sind wir voller Hoffnung. Wir können unsere Nächsten lieben ohne die latente Angst, den Boden des Glaubens zu verlieren.  
(Autor: Jacob Thiessen)
 

Jacob Thiessen: „Wir vergeuden zu viel Zeit mit Streitereien!“

„Leider kursiert viel Unfug, auch unter der Bibel verpflichteten Christen“, konstatiert Professor Jacob Thiessen (57). Er ist Rektor der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel und Professor für Neues Testament. Thiessen hält es für dringlich, die aufgeheizte Corona-Diskussion zu versachlichen. Es fehle an Demut und gegenseitigem Respekt. Er fordert auf, zentrale biblische Wahrheiten ernst zu nehmen, Texte wie Röm 14,17 bis 18: „Die Königsherrschaft Gottes besteht nicht in Essen und Trinken, sondern in Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist. Denn wenn ihr darin Christus dient, werdet ihr Gott wohlgefällig und den Menschen gegenüber erprobt sein.“ Thiessen mahnt: „Manchmal ‚dienen‘ wir Christen mehr unserer ‚Frömmigkeit‘ als Gott und den Menschen.“ Es sei für ihn unverständlich, wie Christen aufrichtig biblisch denken wollten und gleichzeitig biblische Anstandsregeln missachteten.

Es sei nicht Aufgabe von Theologen, medizinische Klarstellungen abzugeben. Auch hier gelte es, respektvoll zu bleiben. Selbst die Experten seien sich nicht in allem einig. Im Vertrauen auf Gott müsse jeder Mensch seinen Weg finden und verantworten. In seinem Beitrag geht Prof. Jacob Thiessen auf einige Fragen anhand der Bibel ein. Damit will er konstruktive Hinweise geben. Christen hätten bereits zu viel Zeit mit Streitereien vergeudet, anstatt ein „positives Zeugnis für den Gott der Bibel zu sein“. (rh)
sthbasel.ch ¦ youtube.com/c/JacobThiessen-STHBasel ¦ jacob-thiessen.ch

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