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Menschenrechte

Lage verfolgter Christen ist alarmierend

16.01.2019

Kelkheim (idea) – In vielen Ländern ist die Lage verfolgter Christen und anderer Minderheiten alarmierend. Zunehmend bedrohen totalitäre Herrschaftssysteme, religiöser Nationalismus und ein sich ausbreitender Islamismus die Religionsfreiheit. Die wachsende Verbreitung digitaler Geräte macht es Regierungen leicht, Menschen durch elektronische Chips oder Gesichtserkennung und ähnliche Software zu kategorisieren, zu überwachen und aufzuspüren. Zu diesem Ergebnis kommt das christliche Hilfswerk Open Doors (Kelkheim bei Frankfurt am Main) in seinem Weltverfolgungsindex (WVI), der am 16. Januar veröffentlicht wurde. Im Berichtszeitraum (1. November 2017 bis 31. Oktober 2018) seien 4.136 Christen aufgrund ihres Glaubens getötet worden, im Jahr zuvor waren es dem Werk zufolge noch 2.782. Weltweit sind laut Open Doors mehr als 200 Millionen Christen in den 50 im Index aufgeführten Ländern einem hohen Maß an Verfolgung ausgesetzt. In diesen Staaten wohnen etwa fünf Milliarden Menschen, darunter 700 Millionen Christen.

Indien erstmals unter den ersten zehn Ländern des Weltverfolgungsindex

An erster Stelle steht zum 16. Mal in Folge das kommunistisch regierte Nordkorea. Auf den folgenden Plätzen des Index hat sich gegenüber dem Vorjahr nur wenig verändert: 2. Afghanistan (2018: Platz 2), 3. Somalia (3), 4. Libyen (7), 5. Pakistan (5), 6. Sudan (4), 7. Eritrea (6), 8. Jemen (9), 9. Iran (10) und 10. Indien (11). Nicht mehr in der Liste der ersten zehn Staaten ist der Irak, der nach Platz acht im Vorjahr nun auf Rang 13 steht. Indien steht erstmals unter den ersten zehn Ländern des Weltverfolgungsindex – 2014 stand es noch auf Platz 28. Die Aggressivität hinduistischer Organisationen habe in dem Land weiter zugenommen. Sie träten mit dem Anspruch auf, Indien gehöre dem Hinduismus, und forderten, andere Religionen sollten aus dem Land vertrieben werden. Die regierende hindunationalistische Partei BJP lasse extremistische Gruppen gewähren. Laut Open Doors kam es 2018 allein bei dokumentierten Vorfällen zu Übergriffen auf etwa 100 Kirchen und 12.500 Christen. 200 seien verhaftet, mindestens zehn getötet worden. Immer wieder gebe es Vergewaltigungen. Darin spiegele sich ein weiterer globaler Trend wider: „Gezielte Angriffe auf Frauen und Kinder sind immer häufiger Teil der Verfolgungsdynamik.“

In China wurden die meisten Christen inhaftiert

In China seien im Berichtszeitraum 1.131 Christen – viele ohne Gerichtsverfahren –, und damit mehr als in jedem anderen Land, inhaftiert worden. Im Jahr zuvor seien es noch 134 gewesen. Staatschef Xi Jinping versuche, die stetig wachsenden christlichen Gemeinschaften zur absoluten Loyalität gegenüber dem Staat und der kommunistischen Partei zu zwingen. Zahlreiche Kirchen und christliche Einrichtungen hätten schließen müssen oder seien zerstört worden. In der zentralchinesischen Provinz Henan etwa seien 60 Prozent aller Kirchen geschlossen worden. Gottesdienste würden videoüberwacht, Pastoren in Umerziehungslagern inhaftiert, an einer Reihe von Kirchen verböten Schilder Besuchern unter 18 Jahren den Zutritt. Zudem würden Pastoren gezwungen, die Nationalhymne vor dem Gottesdienst singen und die chinesische Flagge in der Kirche oberhalb des Kreuzes aufzuhängen.

Der „Islamische Staat“ ist nicht besiegt

Der „Islamische Staat“ (IS) sei zwar nicht mehr in den Schlagzeilen und habe im Nahen Osten Gebiete verloren, aber seine radikale Ideologie gebe es weiterhin, warnt Open Doors. Diese habe zahlreiche Splittergruppen inspiriert oder infiltriert, etwa den „Islamischen Staat der Provinz Westafrika“. Subsahara-Afrika stelle eines der größten Sicherheitsprobleme der Welt dar. In der Region träfen eine schwache Regierungsführung, Armut und der islamische Extremismus zunehmend aufeinander. Hinzu kämen politische Instabilität, Korruption und Arbeitslosigkeit: „All das trägt zur Verfolgung der Christen bei, weil Regierungen entweder ineffektiv sind oder aufgrund ethnischer, Stammes- oder politischer Zugehörigkeiten manchmal aktiv an der Verfolgung beteiligt sind.“

Nigeria: In keinem anderen Land starben so viele Christen wegen ihres Glaubens

In Nigeria (Platz 12) wurden Open Doors zufolge 3.731 und damit mehr Christen um ihres Glaubens willen ermordet als in allen anderen Ländern zusammen. Auch bei Angriffen auf Kirchen (569) stehe das westafrikanische Land an erster Stelle. Experten, etwa die Nichtregierungsorganisation „International Crisis Group“, gingen davon aus, dass durch die Angriffe der (muslimischen) Fulani-Viehhirten auf zumeist christliche Siedler mehr Menschen getötet wurden als durch die islamische Terrormiliz Boko Haram. Wegen der Ermordung ganzer Familien sprächen viele nigerianische Christen mittlerweile von ethnisch-religiösen Säuberungen.

Russland: Erstmals seit 2011 wieder auf dem Weltverfolgungsindex

Zum ersten Mal seit 2014 sind Marokko (Platz 35) und seit 2011 Russland (Platz 41) wieder auf dem Weltverfolgungsindex. In Russland gehe die Verfolgung hauptsächlich auf Muslime zurück. Im Kaukasus etwa kämpften islamische Milizen gegen das russische Militär, um ein „muslimisches Emirat“ zu errichten. Im Nordkaukasus können Christen kein öffentliches Amt übernehmen. Sechs russisch-orthodoxe Christen seien bei Anschlägen militanter Islamisten auf Kirchen in Dagestan und Tschetschenien getötet worden. Ferner begünstige die Regierung weiterhin die Russisch-Orthodoxe Kirche zulasten anderer christlicher Gruppen. In russischen Fernsehsendern und in den Printmedien gebe es eine andauernde Kampagne gegen Sekten und Evangelikale, die zusammen mit Satanisten und Scientologen kritisiert würden.

In Ägypten ist die Entwicklung teilweise positiv

In Ägypten (Platz 16) hingegen sei die Entwicklung teilweise positiv: Ein Gesetz aus dem Jahr 2016 habe erstmals die Registrierung bis dahin illegaler Kirchengebäude ermöglicht. Seitdem wurden 3.700 entsprechende Anträge eingereicht, bis Oktober 2018 340 (9 Prozent) genehmigt: „Bei dieser Geschwindigkeit wird es jedoch zwölf Jahre dauern, bis alle Registrierungen abgeschlossen sind.“ Allerdings drohe der „Islamische Staat im Sinai“ den Christen weiterhin mit ihrer Auslöschung. Andere islamistische Gruppen bombardierten Kirchen und ermordeten christliche Pilger.

Wie Open Doors Verfolgung definiert

Über die Nutzung des Begriffes „Verfolgung“ schreibt das Werk, es gebe „keine allgemein anerkannte rechtliche Definition“. Bestimme Situationen könnten als Verfolgung eingeordnet werden, wenn zum Beispiel Personen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nach Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verwehrt werde. Die WVI-Methodik folge „eher einer theologischen als einer soziologischen oder juristischen Definition“. Nach diesem Ansatz sei Verfolgung definiert als „jegliche Art von erlebter Anfeindung aufgrund der Identifikation einer Person mit Christus. Dies kann feindselige Haltungen, Worte und Handlungen gegenüber Christen umfassen.“ Ferner lehne sich Open Doors an die Definition von Verfolgung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) an. Die Methodik des Weltverfolgungsindex orientiere sich an den Lebensumständen verfolgter Christen hinsichtlich ihrer Religionsfreiheit: „Deshalb basieren die Ergebnisse im Wesentlichen auf Informationen aus erster Hand (Primärquellen) und berücksichtigen die Situation von Christen aller Denominationen, einschließlich christlicher Konvertiten.“ Damit unterscheide sich der Weltverfolgungsindex deutlich von anderen Erhebungen zu diesem Thema.Ein idea-Interview mit dem Leiter von Open Doors Deutschland, Markus Rode, lesen Sie hier.

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