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Gottfried Locher tritt per sofort zurück!

27.05.2020

Tritt per sofort zurück: Gottfried Locher. Foto: idea/rh
Tritt per sofort zurück: Gottfried Locher. Foto: idea/rh

Bern (idea) - Eklat bei den Reformierten: Gottfried Locher legt sein Amt als Ratspräsident der Evangelisch-refomierten Kirche Schweiz per sofort nieder. Er hat den Ratsvorsitz seit 2011 geführt. In seiner Amtszeit wurde insbesondere die gesamtschweizerische Kirchenverfassung eingeführt. Sie legte den Grundstein zur Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS mit ihren neuen Strukturen. Als Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE hat Gottfried Locher zudem im internationalen Kontext gewirkt.

Mit Zeitungsinterview vorgeprescht

Für grosses Aufsehen hatte Gottfried Locher letzten Herbst gesorgt. Der Rat des Kirchenbundes hatte die Frage einer "Ehe für alle" gründlich und lange diskutiert, ohne einen Entscheid zu fällen. Für alle völlig überraschend gab Ratspräsident Locher am 15. August dem Tages-Anzeiger ein Interview. Unmissverständlich sprach er sich für die "Ehe für alle" aus. Locher begründete sein Ja zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle damit, dass Homosexualität dem Schöpfungswillen Gottes entspreche. Dabei machte er klar, dass dies seine persönliche Haltung sei. Damals war es Ratsmitglied Sabine Brändlin, die gegenüber den Medien sagte, die Meinungsbildung im Rat werde durch Lochers Äusserungen nicht beeinflusst.

Präsidentschaft "mit Einschränkungen"

Die Handlungsfähigkeit des Präsidenten sei seit einigen Wochen wegen eines Geschäfts, das dem Rat am 13. April zugetragen wurde und seither intensiv behandelt werde, eingeschränkt. Wie das Büro der EKS weiter mitteilt, werde der genaue Sachverhalt zurzeit abgeklärt. Am 24. April hatte Ratsmitglied Sabine Brändlin ihren sofortigen Rücktritt aus dem Rat der EKS mitgeteilt. Aus persönlichen Gründen und wegen "unüberbrückbarer Differenzen". Brändlins Nachricht lasse auf ein Zerwürfnis innerhalb des Rates schliessen, schrieb damals ref.ch, das Portal der Reformierten. Ihr Rücktritt stehe im Zusammenhang mit einem laufenden Geschäft, worüber "aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes" keine weitere Auskunft gegeben werden könne, hiess es seitens des Rats der EKS.

Druck von innen

Am 18. Mai unterschrieben zwölf Theologinnen und Theologen einen offenen Brief. Darin steht, ernstzunehmende Hinweise würden daraufhindeuten, dass es beim Rücktritt der Theologin Sabine Brändlin um das Thema Grenzverletzungen gehe. Brändlin habe sich Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen innerhalb der Kirche annehmen wollen, argumentieren die Briefverfasser, ohne dabei den Namen Gottfried Locher zu nennen. Wörtlich heisst es im Brieftext: "Eine beherzte und glaubwürdige Kirche scheut das Licht nicht, sondern macht sich für das Recht und für diejenigen, denen Unrecht widerfahren ist stark - auch, falls eine allfällige Täterschaft aus den eigenen Reihen kommt." Das Portal reformiert.info veröffentlichte diesen Brief. Am 19. Mai behauptete dann der Tages-Anzeiger in einem Artikel über den offenen Brief, Brändlins Demission habe mit der Beschwerde einer ehemaligen Angestellten von Präsident Locher bezüglich Grenzverletzungen zu tun.

Locher will "die Arbeit nicht erschweren"

Am 27. Mai teile der Rat der EKS mit, Gottfried Locher habe im Gespräch mit dem Rat beschlossen, sein Amt per sofort abzugeben. Dies "vor dem Hintergrund der bestehenden Herausforderungen der EKS sowie der aktuell beschränkten Gestaltungskraft als Präsident". Weiter: "Eine Diskussion um seine Person soll nach dem Willen von Gottfried Locher die Arbeit der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz nicht erschweren." Locher wolle mit seinem Ausscheiden ein Zeichen setzen, damit sich alle Kräfte auf die Weiterentwicklung der Kirche konzentrieren könnten. Seinen Austritt hat Gottfried Locher am 27. Mai schriftlich dem Synodepräsidenten mitgeteilt. Der Rat der EKS respektiert Lochers Schritt.

Stillschweigen über die Hintergründe

Das ominöse Geschäft, das nun nach Sabine Brändlin auch Gottfried Locher zur Amtsniederlegung gezwungen hat, wird vom Rat weiterhin nicht offengelegt. Seit dem 17. April 2020 arbeitet eine Gruppe mit Esther Gaillard, Ruth Pfister, Ulrich Knoepfel, Pierre-Philippe Blaser und Daniel Reuter an dessen Aufarbeitung. Der Sachverhalt sei komplex und werde nun von einer externen, unabhängigen Stelle untersucht, teilte der Rat mit.  Man wolle Klarheit schaffen und die richtigen Schlüsse ziehen. Bis zur Neubesetzung des Präsidiums werden Vizepräsidentin Esther Gaillard und Vizepräsident Daniel Reuter die Geschäfte führen.

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