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Politik

Geschlechtswechsel – wirklich so einfach?

18.09.2020

Symbolbild: unsplash (Delia Giandeini)
Symbolbild: unsplash (Delia Giandeini)

(idea/dg) – Es ist in manchen Gesellschaftsfragen wie mit dem Wolf. Als das aktuelle Jagdgesetz geschrieben wurde, gab es ihn in der Schweiz nicht. Viele gesellschaftliche Fragen gab es auch noch nicht, als die Bundesverfassung und die meisten Gesetze geschrieben wurden. Alle verstanden dasselbe, wenn sie von „Ehe“ oder von „Geschlecht“ sprachen. So sind denn auch diese beiden Begriffe in der Bundesverfassung und in den bisherigen Gesetzen nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Erst seit wenigen Jahren wird infrage gestellt, was vorher selbstverständlich war und es auch für viele noch ist. Während die Diskussion um die Ehedefinition medial, politisch und kirchlich hohe Wellen wirft, schreitet eine politische Vorlage zur Umdefinierung des Geschlechtsbegriffs weitgehend unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit voran. Bundesrat, Ständerat und bereits auch die zuständige Nationalratskommission wollen gesetzlich festhalten, dass der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister unabhängig jeglicher physischer Realität und auf einseitige Erklärung der Person hin gewechselt werden kann.

Behandlung einer psychischen Störung?

Zur bisherigen juristischen Praxis liefert das Transgender Network Switzerland TGNS interessante Hinweise. Das Bundesgericht habe 1993 (BGE-119-II-264) gesagt, dass ein „irreversibler Geschlechtswechsel“ Bedingung sei, jedoch ohne dies genauer zu erläutern. Seither hat sich das Bundesgericht offenbar nicht mehr zur Thematik geäussert – zumindest erwähnt niemand einen neueren Entscheid. Im besagten Urteil von 1993 liest man, dass Geschlechtsumwandlungsoperationen „als Behandlung einer psychischen Störung von der Ärzteschaft auf breiter Basis anerkannt“ seien. Es sagt weiter, dass Versicherungsgerichte den chirurgischen Eingriff, „falls er als die einzig wirksame Behandlungsmethode erscheint“, zu den Pflichtleistungen der anerkannten Krankenkassen zählten. Daraus ist zu entnehmen, dass eine chirurgische Operation die physische Realität an eine „psychische Störung“, Geschlechtsidentitätsstörung oder Geschlechtsdysphorie genannt, angleichen sollte.

Schwelle soll gesenkt werden

In der aktuellen Vorlage geht es nun darum, die Hürde für den Wechsel des Eintrags im Personenstandsregister zu senken. Bisher muss nämlich gemäss der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Art. 22) ein Antrag auf einen solchen Wechsel bei einem Gericht eingereicht werden. Diverse Gerichte haben in den letzten Jahren entschieden, dass kein chirurgischer Eingriff als Voraussetzung für den rechtlichen Geschlechtswechsel verlangt werden könne. Was ein „irreversibler Geschlechtswechsel“ sei, habe das Bundesgericht ja nicht definiert. Auch das Verlangen einer Hormontherapie wurde von Gerichten infrage gestellt, weil es einen Eingriff in die körperliche Integrität bedeute. Allerdings scheint es, dass bei bisherigen Gerichtsentscheiden zugunsten eines rechtlichen Geschlechtswechsels jeweils zumindest schon eine Hormontherapie begonnen worden ist.

Fragliche bisherige Praxis

Ein solcher Gerichtsantrag und Belege für unternommene physische Massnahmen sollen also nun nicht mehr nötig sein. Wobei zu bemerken ist, dass die bisherige Praxis einer gewissen Logik entbehrt. Die Personen, die sich nicht dem physischen Geschlecht zugehörig fühlen, werden durch Operationen und Hormontherapien nicht wirklich von „Mann“ zu „Frau“ oder umgekehrt. Ihr Körper wird, oft mit schwersten Nebenwirkungen, im ursprünglichen Geschlecht verstümmelt. Zwar kann der Körper chirurgisch umgeformt und mit Hormonzufuhr zu gewissen Veränderungen gezwungen werden. Doch in der DNA und der vollen Funktionsweise entspricht dies noch lange nicht dem anderen Geschlecht. Wie bei anderen, immer tiefgreifenderen künstlichen Eingriffen in menschlichen Funktionsweisen werden auch hier die juristischen Komplikationen immer grösser. Die Forderung, nicht mehr nur „männlich“ und „weiblich“ gelten zu lassen, ist denn auch kein Zufall.

Was bleibt von den Frauenquoten?

Nun soll also der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister auf einfache Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten hin gewechselt werden können. „Die Rechtssicherheit gebietet klare, eindeutige Verhältnisse, was nur bei einem irreversiblen Geschlechtswechsel gewährleistet ist“, hatte das Bundesgericht 1993 noch erklärt. Dies scheint heute nicht mehr nötig. Der Gesetzesentwurf gibt keine Handhabe für Rechtssicherheit. Auch Frauenquoten – von den gleichen ideologischen Gruppen gefördert wie diese Vorlage – werden sinnigerweise schwer zu definieren. In der Armee, in Schulen, Sport und Vereinen wird zu entscheiden sein, ob nun die rechtliche oder die physische Realität als Kriterium für Zuteilungen zum Beispiel in Unterkünften und Garderoben gilt. „Frauen“ werden plötzlich Väter werden, andere werden wegen ihrer eigenen Verstümmelung auf Leihmutterschaft und Samenspende zurückgreifen. Auch wenn von manchen Bürgern eingewandt wird, nur ganz wenige Personen würden vom neuen Gesetzesartikel Gebrauch machen, so wird doch im Tiefsten die Identität von Männern und Frauen umdefiniert.

Doch lieber per Brief?

Dass die Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten nach dem Willen des Bundesrats „die Entgegennahme leichtsinniger Erklärungen verweigern“ müssten, macht deren Arbeit auch nicht leichter. Denn wie sollen sie entscheiden, was „leichtsinnig“ ist? Zumal Bundesbern bisher ausdrücklich von einer Begründungspflicht absehen will. Angesichts der voraussehbaren Schwierigkeiten bei der Übergabe der Erklärungen ist denn auch in gewissem Sinne verständlich, dass mehrere Kantone ein schriftliches Verfahren bevorzugen würden. Eine Minderheit der zuständigen Nationalratskommission wünscht dies ebenfalls. Es löst aber nur vordergründig das Problem für die Zivilstandsbeamten.

Elternunterschrift scheint unerwünscht

Eine Minderheit im Ständerat wollte, dass Minderjährige keine Zustimmung ihrer Erziehungsberechtigten brauchen, um ihr Geschlecht im Personenstandsregister wechseln zu können. In der zuständigen Kommission des Nationalrats fand dieser Wunsch gar eine deutliche Mehrheit. „Kindern soll es also möglich werden, zum Beispiel am schulfreien Mittwochnachmittag auch ohne das Wissen der Eltern mal kurz beim Zivilstandbeamten vorbeizuschauen, um sich ihr neues Wunschgeschlecht eintragen zu lassen“, stellt Dominik Lusser, Leiter Fachbereich Werte und Gesellschaft bei der Stiftung Zukunft CH, in einem Artikel nüchtern fest. So schnell geht es bisher nicht, auch wenn laut dem Transgender Network auch heute kein Mindestalter für die Änderung des Geschlechtseintrags besteht. Dasselbe Netzwerk betont auch, dass Jugendliche für Hormontherapien oder eine operative Geschlechtsangleichung keine Zustimmung der Eltern brauchen. Eltern müssen also – man beachte die Relationen – die Kenntnisnahme einer Prüfungsnote ihres Kindes unterschreiben, nicht aber, wenn ihr Kind sein physisches Geschlecht unwiderruflich ausradieren möchte – und dies vielleicht kurz später bitterlich bereut.

Wie reagieren Christen?

Die EDU hat ein Referendum gegen die „Ehe für alle“ angekündigt. Die EVP unterstützt die vom Nationalrat beschlossene Version mit der Möglichkeit der Samenspende für lesbische Paare ebenfalls nicht. Sowohl der Verband Freikirchen.ch und die Schweizerische Evangelische Allianz haben sich gegen die „Ehe für alle“ ausgesprochen. Der Glaube an die biblischen Aussagen zu Gottes Schöpfung von Mann und Frau betrifft aber nicht nur die Beziehung. Er betrifft auch die menschliche Identität. Wie werden Christen auf die zur Diskussion stehende Umdefinierung des Geschlechts im Schweizer Gesetz reagieren? Wer ist bereit, über die Konsequenzen der Vorlage und der damit verbundenen gesellschaftlichen Entwicklung nachzudenken? Und wer ist bereit, Teenager und Jugendliche mitten in den gesellschaftlichen Trends einfühlend und weitsichtig auf biblischer Grundlage zu begleiten?

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