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Porträt

Eine Stimme für die Leidenden

06.01.2021

Andrea Grimm drückt Schmerzvolles für Leidende in Musik aus. Foto: zvg
Andrea Grimm drückt Schmerzvolles für Leidende in Musik aus. Foto: zvg

Dass Andrea Grimm (35) aus Interlaken heute als lebensfroher Mensch wahrgenommen wird, ist alles andere als selbstverständlich. "Meine Freude hat damit zu tun, dass ich meinen Weg mit Gott gegangen bin." Ein Weg, der oft sehr schwer war. Viel zu früh wurde Andrea in ihrer Kindheit sich selbst überlassen und durchlebte manch schwere und einsame Stunde. Ein Stofftier war oft ihr einziger Tröster. Die Dunkelheit zog sich durch die Jugendjahre hindurch. "In einsamen Momenten wünschte ich mir, dass einfach jemand da ist, der an meinem Schmerz Anteil nimmt."Heute weiss Andrea, dass sich viele Menschen in Einsamkeit und Schmerz selbst anklagen. Sie schämen sich für ihre Gefühle und bleiben allein mit ihrer Sehnsucht nach Trost, Annahme und Verständnis. So wie viele andere, meinte auch Andrea früher, die Einzige zu sein, die an inneren Qualen leidet.

Leidende brauchen Worte, um ihre Not auszudrücken

Mit sechzehn begann Andrea, Texte zu schreiben und diesen Texten Melodien zu geben. Lieder waren für sie die einzige Möglichkeit, erfahrenes Leid auszudrücken, ohne an den Worten zu zerbrechen. Während der Jahre bemerkte sie, wie seelischer Schmerz viele Menschen in eisernem Griff gefangen hält. "Betroffen von leidenden Jugendlichen in meinem Umfeld, versuchte ich auch für ihre Not Worte zu finden." So entstanden zahlreiche Lieder, die Andrea mit niemandem teilte.Auch als Erwachsene kannte Andrea leidvolle Erfahrungen. Eine Krise trieb sie in jahrelange Isolation. Dabei gingen Freunde und Selbstachtung verloren. 2012 suchte sie Hilfe in der Schule für Heilung in Thun. Dort lernte Andrea Menschen kennen, die genauso litten wie sie. "Das war die Zeit, als ich meine Lieder erstmals anderen Menschen vorsang." Sie war erstaunt, wie Zuhörer zu weinen begannen und dabei innere Heilung erfuhren. Die Lieder, die sie in einsamen Stunden geschrieben und gesungen hatte, wirkten auch auf andere. "Du musst eine CD aufnehmen!", ertönten die ersten Stimmen. Ein herausfordernder Gedanke! Obwohl Andrea nie eine Veröffentlichung geplant hatte, wurde sie immer wieder danach gefragt. Schliesslich sagte sie zu Gott: "Wenn ich meine Musik tatsächlich veröffentlichen soll, musst du mir jemanden schicken, der mir dabei hilft." Und weiter stellte sie die Bedingung, sich nicht selbst vermarkten zu müssen - das widerstrebte ihr zutiefst.Und tatsächlich: Sie machte Kontakt mit dem Produzenten David Plüss, der Andreas Anliegen sofort verstand. "Er coachte mich und verband mich mit Menschen, die mir weiterhelfen konnten." So wurde die erste CD veröffentlicht. Sie verkaufte sich, weitere Aufnahmen folgten."Ich bin im Grunde keine Musikerin", meint Andrea Grimm. Sie hat einzig den Wunsch, Schmerzvolles für Leidende auf annehmbare Weise auszudrücken. "Hierfür ist Musik einfach die beste Form." Der menschlichen Not Worte geben, sie in eine Melodie einpacken und dann auf Gott hinweisen. "Das löst bei Menschen etwas aus und sie erleben eine Berührung von Gott." Sie sieht sich als eine Stimme für Notleidende, die für ihr Elend keine Worte haben. Sie selbst erfuhr in dunklen Stunden durch die Lieder Gottes Trost und Heilung. "Es geht darum, dass sich Menschen in ihrem Elend Gott zuwenden können." Eine erstaunlich häufige Rückmeldung auf ihre CDs kommt von Müttern, deren Kinder aufgrund von Angstzuständen Schlafprobleme hatten. Seit sie ihre Musik hören, können sie ruhig schlafen. In Erinnerung an ihre eigene Kindheit ist Andrea nach solchen Feedbacks zutiefst berührt. "Oftmals höre ich auch Geschichten, dass meine Musik Sterbenden geholfen hat, sich in den letzten Tagen mit Gott zu versöhnen."

Vermehrte Öffentlichkeitspräsenz

Obwohl nicht gesucht, tritt Andrea Grimm zunehmend vor Publikum auf. Mit der Worship-Band "Schabach" führt sie Menschen in Gottes Gegenwart. "Wir sind keine professionellen Musiker, aber dürfen immer wieder Gottes Wirken erfahren!", freut sie sich. Es erstaunt nicht, dass manche davon ausgehen, Andrea hätte Leid und Schmerz hinter sich gelassen. "Das stimmt nicht", korrigiert sie. "Ich durchlebe noch immer schmerzvolle Prozesse." Sie hat aber gelernt, welche Kraft in der Transparenz liegt und besonders darin, Gott in alles einzubeziehen. Es gelte, demütig vor Gott zu kommen und sich nach einer Berührung des heiligen, allmächtigen und liebenden Gottes auszustrecken.
(Autor: Markus Richner-Mai, Livenet)

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